"ich die eule von wien" - Texte von Walter Buchebner. Mit Joachim Meyerhoff

Nestroy-Preisträger Joachim Meyerhoff las Lyrik des "Ginsberg über dem Gänsehäufel" (Wendelin Schmidt-Dengler). Gedichte aus dem von Daniela Strigl bei der Edition Atelier herausgegebenen Band "ich die eule von Wien". Christian Auzinger begleitete am Klavier.

Ein Wiener Beatnik

Walter Buchebner war eine der markantesten lyrischen Stimmen im Nachkriegsösterreich. Hin- und hergerissen zwischen Tradition und Avantgarde, entwickelte er als Bewunderer der amerikanischen Beat-Poeten seine radikale "Active Poesie". Das Buch, aus dem Joachim Meyerhoff lesen wird, enthält die erst nach Buchebners frühem Tod publizierten Bände "zeit aus zellulose" und "Die weiße Wildnis" sowie bisher unveröffentlichte Gedichte und Tagebuchaufzeichnungen aus dem Nachlass. Es beschreibt auf beklemmende Weise den Weg dieses mit selbstzerstörerischer Intensität für sein Werk brennenden Dichters und die stickig-explosive Atmosphäre im Wien um 1960.

"Musik ist mir ein Mysterium" – Joachim Meyerhoff

"Lesen kann im besten Fall zum Spielen im Sitzen werden", sagt Joachim Meyerhoff, einer der unruhigsten und körperlichsten Schauspieler, die das Burgtheater hat. Gut so, denn am 18. Jänner hält der Nestroy-Preisträger und Schauspieler des Jahres eine Lesung im RadioKulturhaus.

"Texte können einen schleudern und beuteln. Hauptsache, man missversteht sich nicht selbst als Interpretationsguru und packt sich in weihevolle Watte."

Im Nachsatz provoziert er gleich alle, die das etwas gemächlichere Hören gewohnt sind: "Im Zweifelsfall habe ich es lieber etwas zu laut und zu schnell!" Die vielversprechende Kampfansage eines Vollblutschauspielers an das etwas mit Patina behaftete Konzept "Dichterlesung".

Joachim Meyerhoff wird aus "ich die eule von wien" vortragen, einer Sammlung von Texten Walter Buchebners. Der 2011 im Verlag Edition Atelier erschienene Band enthält Buchebners Tagebucheinträge und seine von den Beat Poets der Fünfzigerjahre inspirierte Lyrik.

"Lyrik hat unterschwellig oft so einen bedeutungsschwangeren Beigeschmack. Da dagegenzulesen scheint mir mit Buchebner geradezu zwingend. Diese Gedichte sind nun wahrlich keine wabernden Wortgebilde, das ist alles sehr konkret", freut sich Meyerhoff, der 1967 im saarländischen Homburg geboren wurde, drei Jahre, nachdem sich Walter Buchebner wegen eines schmerzvollen Nierenleidens in Wien 35-jährig das Leben nahm.

Mit den Texten des unglücklichen Poeten wurde Meyerhoff im Zuge der Verleihung des Bremer Literaturpreises 2012 bekannt. Dort wurden er und Marlene Streeruwitz für ihre jeweiligen Romane ausgezeichnet. Streeruwitz erwähnte Buchebner in ihrer Dankesrede:

"Über Herausgeberin Daniela Strigl kam ich dann zu dieser sehr schönen, seltsam schweren und mit von Buchebner gefertigten Zeichnungen versehenen Ausgabe – von Gedicht zu Gedicht nahm meine Lust zu, das laut zu lesen."

Eine Gemeinsamkeit gibt es zwischen dem Dichter und seinem heute in Wien lebenden Interpreten: Sie sind "Zuag'raste". Buchebner stammt aus Mürzzuschlag, Meyerhoff wechselte 2005 vom Hamburger Schauspielhaus ins Burg-Ensemble. Freilich, gerade geht er für einige Produktionen nach Deutschland und lässt Wien teilweise hinter sich.

"wien ist wie eine geliebte die abreist während du schläfst", schrieb Buchebner. In Meyerhoffs Fall ist er es, der abreist, denn wie viele Künstler verbinden ihn mit Wien zwiespältige Gefühle:

"Die Stadt verwandelt permanent Abneigung gegen sie in Bindung – je mehr man wieder weg will, desto mehr kommt man an. Sehr seltsam. Ich laufe viel durch die Außenbezirke. Vor zwei Tagen auf der Quellenstraße sah ich direkt nebeneinander eine Dönerbude, ein Bestattungsunternehmen mit Totenkissen, ein Fachgeschäft für Turbane und Schleier und einen Sexshop, in dem die Schaufensterpuppen Strapse und Hexenmasken trugen. Überall Spektakel!"

Großstadtpoesie – die Verbindung zwischen dem nächtlichen Wien und den amerikanischen Träumen der Beat Poets, die gerade wieder einen Hype erleben, nicht zuletzt dank der Verfilmung von Jack Kerouacs legendärem Roman "Unterwegs". Buchebners Favorit im schreibenden Männertrupp war Allen Ginsberg, Autor des Gedichts "Das Geheul", dessen künstlerischer Wert seinerzeit in den USA gar vor Gericht verfochten werden musste. "ginsberg wo bleibst du?", heißt denn auch ein Gedicht des Wiener Epigonen.

"Klar kommt die vorwärts treibende Rhythmik dem laut Lesen entgegen, sie treibt!", lobt Meyerhoff das, was den Beat zum Beat macht. Interessant, dass diese Musikalität nun auf einen raren Bühnenakteur trifft, der sein Verhältnis zur Musik geradeheraus als katastrophal beschreibt:

"Andauernd gehe ich in die Oper und fliehe in der Pause. Aber auch House, Pop und Jazz – ich habe da null Orientierung. Klingt völlig größenwahnsinnig, ich weiß, aber mir gefällt eigentlich nichts. Mit fünf hat mir meine Musiklehrerin die Blockflöte über den Schädel gezogen, seitdem ist mir Musik ein Mysterium."

Es hilft nichts: Bei der Lesung im Großen Sendesaal wird ein Jazzpianist Meyerhoff begleiten, ihn kommentieren, ja, vielleicht sogar gegen ihn anspielen...

Text: Martin Thomas Pesl

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit Edition Atelier.

Service

„ich die eule von wien“ - Texte von Walter Buchebner. Mit Joachim Meyerhoff
Freitag, 18. Jänner 2013
19:30 Uhr
Großer Sendesaal