Konzert exxj…ensemble XX. jahrhundert

Mit Werken u.a. von Judit Varga und Pierluigi Billone begab sich das ensemble XX. jahrhundert unter Leitung von Peter Burwik in das Spannungsfeld von künstlerischer Entgrenzung und individueller Neuverortung im Momentanen.

Ensemble xxj

(c) Fodor

Die ungeheure Tragweite des Moments liegt in der Flüchtigkeit: Nicht der Verstand erfasst ihn, sondern die Sinne und der Instinkt werden seiner habhaft und machen ihn zur unmittelbaren Erfahrung des Jetzt. Musikalische Gegenwart ist die Herausforderung, sich dem Unabsehbaren ebenso zu stellen wie dem Unerhörten.

ensemble xx. jahrhundert
Das renommierte Ensemble um Peter Burwik, das von WienKultur, BKA und der Ernst von Siemens Stiftung unterstützt wird, interpretierte drei spannende Stücke, Judit Vargas "Entitas" aus dem Jahr 2012 (Österreichische Erstaufführung) und Pierluigi Billones "Dike Wall" aus dem Jahr 2012 (Österreichische Erstaufführung).

Judit Varga: Entitats
Judit Varga schafft musikalische Situationen, in denen die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten verschiedener Instrumentalgruppen hervortreten. Varga hat eine Reihe von Klangszenen entworfen, in denen die Gruppen miteinander konfrontiert werden oder sich gar vermischen.

Eine Klangsuche - einerseits weist Varga darauf hin, dass die Auseinandersetzung mit Anderem und Fremdem, sei es im Wettstreit, sei es im Dialog, auch immer eine Bereicherung der eigenen Persönlichkeit ist. Andererseits ist "Entitas" ein Plädoyer für das Spezifische, das Eigene und die Differenz, die von der zunehmenden Vereinheitlichung bedroht wird.
(Björn Gottstein)

Judit Varga, geboren 1979 in Györ, Studium in Budapest und Wien. Zahlreiche internationale Auszeichnungen als Pianistin. Für die Filmmusik zu „Deine Schönheit ist nichts wert“ erhielt sie 2014 den Österreichischen Filmpreis.

Salvatore Sciarrino: Lo spacio inverso
"Ein Organismus ist nicht die Summe seiner Teile", bekennt Sciarrino. Aus dem Gedanken des Organismus, der nicht die Summe seiner Teile ist, leitet sich Sciarrinos filigrane Klangwelt ab, in der sich Begriffe und Bedeutungen nicht durch Festschreibung definieren, sondern sich im steten Wandel befinden und immer neue Facetten ihrer selbst offenbaren.

Für den Komponisten steht das Organische, in dem nichts existiert, was nicht auf Vorhergegangenem beruht und somit auf Nachfolgendes verweist. Wie die Sprache - ihrer alltäglichen Funktion als Kommunikations-, als Deutungs- und Bedeutungsmittel enthoben – zur reinen Poesie wird, so ist es bei Sciarrino der "organische Begriff des Klangs", dem sich die musikalischen Parameter unterzuordnen haben.

Endziel ist ein Klang, bei dem "die Klangfarbe nicht mehr nur Farbe ist und die Intensität nicht nur Relief". Linguistische und musikalische Strukturen stehen für Sciarrino in einem komplexen Verwandtschaftsverhältnis. Daraus entwickelte er die "inerzia auditiva" (Gehörträgheit), ein Phänomen, das in einer Interaktion von Tonhöhe und Klangfarbe mittels Geschwindigkeit besteht.

Bei mehr als 15 Tönen pro Sekunde kann das menschliche Ohr keine einzelnen Töne mehr identifizieren, sondern nimmt ein akustisches Gebilde in veränderter Klangfarbe wahr. Diese Technik hat Sciarrino bis zur "Spannung an der Grenze" verfeinert, in der sich sein beinah aufklärerischer "Anspruch, die menschlichen Wahrnehmungsfähigkeiten voranzutreiben und auszuweiten" manifestiert.
(Christian Baier)

Salvatore Sciarrino, geboren 1947 in Palermo, Autodidakt, 1959 erste Kompositionen, unterrichtete Komposition am Mailänder Konservatorium. Lebt in Cittá di Castello (Perugia) und ist Dozent am Konservatorium in Florenz.

Tomasz Skweres: Tituba
Tituba, eine afroamerikanische Sklavin, war eine der ersten Beschuldigten bei den Hexenprozessen von Salem (1692), bei denen 20 Menschen unter Anklage der Hexerei in Neuengland (USA) hingerichtet wurden.

Das Spannungsfeld zwischen kontrastierenden emotionellen Zuständen bildet den dramatischen, von kurzen melodischen Gesten dominierten Charakter des Stückes. Die Gefühle der Angst und Verzweiflung werden immer wieder in kurze Momente der Hoffnung und des Glaubens an eine bessere Zukunft umgewandelt, was vor allem mit Hilfe der feinen Übergänge zwischen den belebten, sich immer verändernden harmonischen Feldern dargestellt wird.
(Tomasz Skweres)

Tomasz Skweres, geboren 1984, Komponist und Cellist, Studium in Wien, seit 2009 als Cellist beim ORF Radio-Symphonieorchester Wien engagiert.

Pierluigi Billone: Δίκη Wall
Das Schlagzeug bestimmt das ganze Werk mit strenger Eintönigkeit, oft konzentriert auf einzelne Impulse oder extrem reduzierte Klangaktionen bis zu dem Moment, wo es endlich mit dem Ensembleklang verschmilzt und in ihm aufgeht. Völlig anti-virtuoso, ständig instabil, bewusst eintönig und radikal reduziert, zelebriert das Stück eine Qualität und Intensität des gemeinsamen Musizierens, das von asiatischer Kultur inspiriert ist.
(Pierluigi Billone)

Pierluigi Billone, geboren 1960 in Italien, lebt in Wien. Studium bei Salvatore Sciarrino und Helmut Lachenmann. Seine Werke wurden u.a. von Ensemble Intercontemporain, Ensemble Modern, Ensemble Recherche, Instant Donné, Ensemble Contrechamps bei Festivals in Donaueschingen, Wien, Witten, Brüssel und Paris uraufgeführt. Zahlreiche internationale Auszeichnungen.

Ein Konzert in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Musik (ÖGZM) und dem Österreichischen Komponistenbund (ÖKB).

Service

Konzert exxj…ensemble XX. jahrhundert
Montag, 27. Oktober 2014
20:00 Uhr
Großer Sendesaal

exxj…ensemble XX. jahrhundert