How I did the story: Wolfgang Bauer

Start einer vierteiligen Serie im RadioCafe: Renommierte internationale Journalistinnen und Journalisten erzählen, wie ihre Geschichten entstehen. Erster Gast war Wolfgang Bauer.

Wolfgang Bauer ließ sich für seine Reportage "Und vor uns liegt das Glück" von Schleppern mit einem Boot von Afrika nach Europa bringen. Der frühere Zeitsoldat studierte Islamwissenschaft, Geografie und Neuere Geschichte. Nach Stationen beim Schwäbischen Tagblatt, bei "Stern" und "Focus" schreibt Bauer als freier Journalist u.a. für das Wochenmagazin "Die Zeit". Moderation: Gudrun Braunsperger.

Wolfgang Bauer

(c) Wolfgang Bauer

Vier herausragende internationale Journalistinnen und Journalisten geben tiefe Einblicke in ihre Arbeit.

Es steht nicht gut um den Qualitätsjournalismus weltweit: Traditionelle Medienhäuser stecken in einer Krise, kämpfen gegen sinkende Auflagen und stetig schwindende Nutzerzahlen. Redaktionen werden schrittweise abgebaut, Journalistinnen und Journalisten müssen unter großem Zeitdruck immer mehr produzieren. Zeit für tiefer gehende Recherchen und hintergründige Geschichten bleibt kaum noch. Gleichzeitig wächst in repressiven Staaten der Druck auf unabhängige, regimekritische Reporter/innen.

Und doch gibt es sie: jene herausragenden journalistischen Geschichten, die mächtige Konzerne und ganze Regierungen ins Wanken bringen; Reportagen, die uns völlig neue Einblicke gewähren und Gesellschaften wachrütteln; wütende Anklagen gegen repressive Staatschefs von Journalistinnen und Journalisten, die jederzeit damit rechnen müssen, ins Gefängnis gesteckt oder gar getötet zu werden. Wir lesen diese Geschichten in Zeitungen, Magazinen und auf Webseiten, hören sie im Radio, sehen sie im Fernsehen und sind bewegt oder empört.

Was wir nur selten erfahren, sind die oft nicht minder spannenden Geschichten hinter den Kulissen: Wer genau sind die Leute, die hinter den journalistischen Produkten stehen? Wie sind die Reporter/innen auf die Idee zu ihrer Geschichte gekommen, wie haben sie sich vorbereitet und gegen welche Widerstande mussten sie während und nach ihrer Arbeit ankämpfen? Wir fragen uns: Was empfinden Journalistinnen und Journalisten, wenn sie sich etwa Kugelhagel und Bombenangriffen in umkämpften syrischen Städten aussetzen, wenn sie eine Reise von Afrika nach Europa auf einem klapprigen Flüchtlingsboot wagen oder wenn sie sich durch ihre investigative Recherchen zu Staatsfeindinnen bzw. -feinden von repressiven Regierungen machen? Wie gehen diese Reporter/innen mit der ständigen Gefahr um und wie vereinbaren sie ihre Arbeit mit Familie, Partnerschaft und Freundeskreis?

"How I did the story" ist eine vierteilige Veranstaltungsreihe in Kooperation mit der journalistischen Weiterbildungseinrichtung fjum_forum journalismus und medien wien. Vier Reporter/innen unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlichen Spezialgebieten, die 2014 herausragende journalistische Arbeit geleistet haben, stehen dem Publikum Rede und Antwort. Sie erklären und reflektieren die Hintergründe zu ihren Geschichten: von der Ideenfindung über die oft langwierige Vorbereitung, die persönlichen Emotionen während der Arbeit bis hin zu den Konsequenzen ihres Schaffens.

Im ersten Teil der Reihe "How I did the story" war der Reporter Wolfgang Bauer eingeladen. Der im deutschen Baden-Württemberg lebende Journalist ist freier Reporter und Buchautor, er schreibt vorwiegend für die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit". Im Juni 2014 erschien im "Zeit Magazin" seine mehrfach ausgezeichnete Reportage "Und vor uns liegt das Glück".

Bauer hat sich für diese Geschichte inkognito unter syrische Flüchtlinge gemischt, die vor dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat über das Mittelmeer nach Europa flohen. Gemeinsam mit einem Fotografen hat sich Bauer größten Gefahren ausgesetzt: Er ließ sich mit Schleppern ein, wurde entführt und inhaftiert, gelangte mit einem maroden Schiff übers Mittelmeer nach Italien, wo er als Obdachloser auf den Straßen ums Überleben kämpfte. Wochenlang begleitete Bauer die Flüchtlinge, erlebte die persönlichen Schicksalsschläge seiner Gefährten hautnah. 43.000 Fluchtlinge sind allein im Jahr 2013 übers Mittelmeer nach Europa gekommen, Hunderte sind auf dem Weg im Meer ertrunken. In seinem Artikel schildert Bauer empathisch die Schicksale, die sich hinter diesen abstrakten Zahlen verbergen – und spricht über seine ganz persönlichen Erfahrungen, die er in seiner Geschichte gemacht hat.

Für den zweiten Teil der Reihe "How I did the story" am 12. Mai wird die russisch-amerikanische Autorin und Journalistin Masha Gessen exklusiv nach Wien kommen. 2012 veröffentlichte Gessen die viel beachtete Putin-Biografie "Der Mann ohne Gesicht", 2014 erschien "Words Will Break Cement", ein sehr persönliches Buch über die Aktionistinnen von Pussy Riot. Als scharfe Kritikerin des russischen Präsidenten ist die 47-jahrige Gessen auf Konferenzen, in Talkshows oder amerikanischen Medien wie der "New York Times" zu einer Art Kronzeugin gegen die amtierende Kreml-Führung avanciert. Wenige Tage vor dem Eurovision Song Contest 2015, der durch den Sieg von Conchita Wurst im vergangenen Jahr eine besondere politische Relevanz bekommt, wird Gessen über den Alltag von regierungskritischen Journalistinnen und Journalisten in Russland, über Einschüchterungsversuche, den Umgang mit der alltäglichen Angst, die wachsende Homophobie in ihrer Heimat und die Psyche von Wladimir Putin sprechen.

Text: Gunther Müller (fjum_forum journalismus und medien wien)

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit fjum_forum journalismus und medien wien.

Service

How I did the story: Wolfgang Bauer
Donnerstag, 19. März 2015
19:30 Uhr
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Wolfgang Bauer