Im Zeit-Raum: Schubumkehr: Die Zukunft der Mobilität

Johannes Kaup im Gespräch mit dem Mobilitätsvisionär Stephan Rammler

Stephan Rammler

(c) Nicolas Uphaus

Sowohl unsere arbeitsteilige Wirtschaft als auch unsere privaten Lebensstile hängen fundamental von Mobilität ab. Modern zu leben bedeutet mobil zu sein. Die Moderne war eine Beschleunigungs- und Kraftleistungsrevolution.

Ihr eigentlicher Modernisierungsschub hat mit der fossilen Revolution etwa ab Mitte des 19. Jahrhundert begonnen. Die Dampfmaschine und die Eisenbahn haben sich schon lange vor dem Automobil die fossilen Brennstoffe mit ihrer Energiedichte zunutze gemacht. So konnten große Entfernungen schneller überwunden und weite Räume verkehrsmäßig erschlossen werden. Die neuen Verkehrsmittel wurden zu den Blutbahnen der kapitalistischen Gesellschaft. Ohne die Mobilität wäre eine moderne Gesellschaft nicht aufrechtzuerhalten.

Aber die heutige Mobilität ist extrem ressourcenintensiv und daher nicht globalisierungsfähig. Alleine die Materialmasse, die durch die Automobilität gebunden wird, ist enorm. Stähle, Kunststoffe, Gummi und seltene Erden stecken in den Autos.

Dazu kommen noch Unmengen an Beton, Sand und Stahl für die Verkehrsinfrastrukturen von Straßen, Brücken, Tunnel, Tankstellen und Parkräumen, die dazu gebaut und erhalten werden müssen.

Die Verbrennungsmotoren, die von der Verfügbarkeit von billigem Öl abhängig sind, stellen dabei nicht nur ein gewaltiges ökologisches Problem dar. Sie sind indirekt auch mitverantwortlich für Ressourcenkonflikte in geopolitisch instabilen Weltregionen.

Angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung, der knapper werdenden Ressourcen, des Klimawandels und sinkender Lebensqualität in den Megacitys ist eines klar: Wir brauchen in Sachen Mobilität eine drastische Richtungsänderung, eine Schubumkehr. Das aber ist ein Jahrhundertprojekt, weil wir derzeit noch tief in der Pfadabhängigkeit der fossilen Energien stecken.

Die Zukunft der Mobilität steht einerseits vor großen Innovationen: Automatisierung, die intra- und intermodale Vernetzung, die Navigation, Information und Entertainment und schließlich das ganze große Thema der Virtualisierung, des Telependelns oder auch der Substitution realer Verkehre durch Datentransfer.

Aber technische Innovationen sind nur die eine Seite und bei Weitem nicht ausreichend. Die Zukunft der Mobilität braucht auch eine mutige private, berufliche und politische Praxis ihrer Nutzer/innen.

Hilft uns das Elektroauto aus der Sackgasse, oder müssen wir das Modell der automobilen Massenmobilität überhaupt verabschieden? Welche Innovationen werden unsere Mobilität in naher Zukunft verändern? Welche Veränderungen beim Lebensstil stehen bevor? Welche ökonomischen Strategien sind für eine Mobilität im Wandel vonnöten? Wie könnte sich die politische Kultur für die Mobilität der Zukunft verändern?

Stephan Rammler, geboren 1968, ist Professor für Transportation Design & Social Sciences an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und dort Gründer des Instituts für Transportation Design. Seine Arbeitsschwerpunkte sind die Mobilitäts- und Zukunftsforschung, Verkehrs-, Energie und Innovationspolitik, Fragen kultureller Transformation und zukunftsfähiger Umwelt- und Gesellschaftspolitik. Rammler ist Autor des vielbeachteten Buches "Schubumkehr. Die Zukunft der Mobilität".

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Im Zeit-Raum: Schubumkehr: Die Zukunft der Mobilität
Donnerstag, 24. September 2015
18:30 Uhr
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