Maria Lassnig: Es ist die Kunst, jaja…
(c) Sepp Dreissinger
Maria Lassnig gehört zu den wenigen Kunst-Weltstars, die Österreich nach 1945 hervorgebracht hat - mit Ausstellungen in den Kunstzentren Europas und den USA, Biennale in Venedig, zweimal documenta in Kassel, Düsseldorf, Nürnberg, Köln, Berlin, Luzern, Paris, New York, Den Haag, Frankfurt, Zürich, München und Rom und überhäuft mit nationalen und internationalen Preisen. Ihre Malerei nach der von ihr entwickelten Methode der "Body Awareness", eine Suche nach einer Wirklichkeit, die "mehr in meinem Besitz ist als die Außenwelt", erzielt Rekordpreise.
Geboren 1919 in Kappel in Kärnten als uneheliches Kind, fuhr sie 1941 per Rad zur Aufnahmeprüfung an die Akademie nach Wien, um zwei Jahre später aus selbiger geworfen zu werden, ihre Bilder galten als "entartet", sie selbst als eine Gefahr die Studenten zu verderben. Ihr Studium schloss sie bei Ferdinand Andri und Herbert Boeckl ab. 1968, nach längerem Aufenthalt in Paris, wo sie Paul Celan und André Breton kennenlernte, ging sie nach New York, wo sie die Kunst in den Zeichentrickfilm einführte.
Auf die ihr gebührende Anerkennung hat Maria Lassnig lange warten müssen, den Goldenen Löwen der wichtigsten Kunstbiennale der Welt für ihr Lebenswerk konnte sie 93jährig, ein Jahr vor ihrem Tod, nicht mehr selbst aus Venedig abholen. Der Triumph kam gerade noch rechtzeitig vor dem Ende.
Warum einer Künstlerin dieses Formats so lange die internationale Wahrnehmung verwehrt wird, liegt nicht nur daran, dass der Kunstmarkt eine die weibliche Schöpferkraft nach wie vor hartnäckig ignorierende Männerdomäne ist, sondern auch daran, dass Lassnig nicht zu den slicken Selbstvermarktern gehörte, zu den sich anbiedernden Networkern, die er befördert. Kompromisslos auf ihre Kunst konzentriert und schroff im Umgang, erhalten Menschen wie sie schnell einmal das Etikett "schwierig".
(c) Michaela Theurl
Ein Etikett, das den Fotografen und Filmemacher Sepp Dreissinger, selbst eine Künstlerpersönlichkeit mit Ecken und Kanten, deren Bekanntheit hinter ihrer Bedeutung herhinkt, unwiderstehlich anzieht. Seit Jahrzehnten sucht Sepp Dreissinger mit Vorliebe immer wieder diejenigen auf, die von der Öffentlichkeit mit einer Mischung aus Bewunderung und Ablehnung bedacht werden. Aus diesen Begegnungen entstanden eindringliche Foto-Portraits, die inzwischen Kultstatus erlangt haben. Ob jene von Thomas Bernhard, Friedrich Gulda, H.C. Artmann oder Elfriede Jelinek, Dreissinger-Bilder besitzen eine unverwechselbare Sprache und Intimität.
In den letzten zehn Jahren kann der Fotograf auch als Filmemacher Erfolge aufweisen, so bei Viennale und Diagonale mit der österreichischen Künstlerdokumentation „artgenossen. 35 minutenportraits“. (Diagonale - 1. Preis in der Kategorie für den besten Kurz- und Experimentalfilm). Mit der Künstlerin Heike Schäfer hat er dabei eine bewährte Co-Regisseurin und Cutterin an seiner Seite.
Das Video-Porträt von Maria Lassnig "Es ist die Kunst, jaja…", das Sepp Dreissinger im Großen Sendesaal präsentierte, wurde von Lassnig mitinitiiert und kann als künstlerische Zusammenarbeit betrachtet werden. Auf die ersten Filmaufnahmen von Maria Lassnig in ihrem Kärntner Sommeratelier in Feistritz 2001 folgten im Laufe der Jahre Besuche im Wiener Atelier, die auch immer mit Foto-Sessions verbunden waren. Das Vertrauen und das Einverständnis der Malerin prägen den Charakter des Films, der auch die persönliche Beziehung zwischen Porträtisten und Porträtierter thematisiert.
Der zweite Schwerpunkt des großen Porträtprojekts lag auf einem Buch. Der im Album Verlag erschienene Bild- und Textband "Maria Lassnig. Gespräche & Fotos" versammelt sieben Interviews mit Maria Lassnig, die Christian Berger, Sepp Dreissinger, Michaela Monschein und Heike Schäfer geführt haben, sowie 23 erstmals veröffentlichte Interviews, die Sepp Dreissinger über Maria Lassnig geführt hat - mit Freunden, Wegbegleitern, Galeristen, Künstlerkollegen und Kennern – darunter Valie Export, Arnulf Rainer, Oswald Wiener oder Alice Schwarzer.
Auszüge daraus waren bei der Präsentation im Großen Sendesaal zu hören, gelesen von der Burgschauspielerin Dörte Lyssewski.
Das musikalische Programm bestritten Animationsfilmer Hubert Sielecki und Galeristin Luise Buisman mit Dudelsack und Drehleier.
Der Animationsfilmer Hubert Sielecki wurde 1982 von Maria Lassnig damit beauftragt in ihrer Malerei-Klasse ein "Studio für experimentellen Animationsfilm" einzurichten, das er dann 30 Jahre lang leitete. Dieses Studio war bis vor wenigen Jahren das einzige experimentelle Filmstudio an Österreichs Kunsthochschulen und ist in seiner von Maria Lassnig initiierten Vorgabe, Malerei in Bewegung umzusetzen bis heute einzigartig. Mit dem berühmten Kurztrickfilm "Maria Lassnig Kantate" schuf Sielecki in den 1990er Jahren das wichtigste Film-Selbstporträt der Künstlerin, ein "Musikvideo" nach einem von Lassnig verfassten Gedicht über ihren persönlichen Lebenslauf und mit von ihr handgezeichneten Animationen.
Außerdem sprach Ö1 Redakteurin Dorothee Frank mit Sepp Dreissinger, dem bildenden Künstler Hans Werner Poschauko, Lieblingsschüler und persönlicher Assistent Lassnigs, und Peter Pakesch, Galerist und Vorsitzender der Maria Lassnig Stiftung.
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Der Film entstand mit Unterstützung des BKA, des Landes Kärnten, des Landes Vorarlberg, der Maria Lassnig-Stiftung und von ORF III, die Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem Album Verlag.
Service
Maria Lassnig: Es ist die Kunst, jaja…
Samstag, 10. Oktober 2015
19:30 Uhr
Großer Sendesaal
Lesetipp
Sepp Dreissinger, Maria Lassnig. Gespräche & Fotos, Album Verlag
ISBN 978-3-85164-193-6
Ausstellung
Im Foyer des Großen Sendesaals ist ab September eine Foto-Ausstellung mit ausgewählten Dreissinger-Porträts von Maria Lassnig zu sehen.
Links
Sepp Dreissinger
Hubert Sielecki