Wiener Vorlesungen: Menschenrechte und Menschenpflichten. Ein historischer Kulturvergleich

Die Anglistin, Ägyptologin, Literatur- und Kulturwissenschafterin Aleida Assmann zu Gast bei Hubert Christian Ehalt

Aleida Assmann

Aleida Assmann

(c) Corinna Assmann

Die Menschen sind von Natur aus gesellschaftliche Wesen; das hat bereits Aristoteles beim Nachdenken über den Menschen festgehalten. Gegenwärtig ist diese gesellschaftliche Dimension der menschlichen Konstitution und des menschlichen Handelns wesentlich auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik im Gespräch. Zu fragen ist, ob ausreichend geholfen wird und wer für ausreichende und adäquate Hilfe verantwortlich ist: der Staat, die Zivilgesellschaft oder die einzelnen Individuen?

Der zentrale Begriff, mit dem sich westliche, durch Aufklärung und Moderne geprägte Gesellschaften mit der sozialen Dimension des Menschen heute auseinandersetzen, sind die Menschenrechte. Die Moderne war historisch wesentlich dadurch gekennzeichnet, dass Beziehungen, die in der Geschichte personenbezogen waren, versachlicht wurden.

Der Begriff Menschenrechte der Aufklärung bringt diese Versachlichung, die naturrechtlich argumentiert wird, zum Ausdruck. Die wissenschaftlichen und politischen Diskurse über die neuzeitlichen Menschenrechte lassen vergessen, dass es in den unterschiedlichen Verfassungen von Gesellschaft vor der Neuzeit und vor der Aufklärung zahlreiche Rechtsnormen gegeben hat, die eher den Charakter von Menschenpflichten als jenen von Menschenrechten hatten.

Die Veranstaltung diskutierte die Frage, wie sich diese Materie der rechtlichen Stellung von Menschen in den gesellschaftlichen Zusammenhängen vor der Etablierung der Menschenrechte und nach jener in der longue durée der Geschichte entwickelt hat.

Die Menschenrechte werden national, international, weltbürgerlich diskutiert, argumentiert, gesichert und verteidigt. Sie sind Gegenstand, Instrument und Methode der Öffentlichkeit. Menschenpflichten haben eher etwas mit der Sozialisierung und dem Habitus des Individuums in einer Gesellschaft mit sozialen Institutionen wie Normen und Geboten, mit Haltungen wie Höflichkeit und Respekt zu tun. Gefragt wird, wie der Umgang der politisch, wirtschaftlich, gesellschaftlich und kulturell Stärkeren mit den Schwächeren in der Geschichte gestaltet wurde und gegenwärtig gestaltet wird und was „Kosten und Nutzen“ der historischen Entwicklung in einer historischen Ethikbilanz sind.

Text: Hubert Christian Ehalt

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit den Wiener Vorlesungen.

Service

Wiener Vorlesungen: Menschenrechte und Menschenpflichten. Ein historischer Kulturvergleich
Mittwoch, 22. Juni 2016
19:00 Uhr
Großer Sendesaal