Carl Weissner: Manhattan Muffdiver

Carl Weissner, legendärer Übersetzer von Bukowski, Burroughs, Dylan und Zappa, stellte lesend seinen neuen E-Mail-Roman vor und sprach mit Fritz Ostermayer und Thomas Ballhausen über seine Erfahrungen mit Literatur, Musik und amerikanischen Größen.

Im Anschluss war der Film "I'm still here. Bukowski zum 70. Geburtstag" von Thomas Schmidt zu sehen, der noch nie in Österreich gezeigt wurde.

Fritz Ostermayer, der durch den Abend führte, über Carl Weissner:

19. 5. 2010 Morgen werde ich Carl Weissner persönlich kennenlernen. Große Vorfreude auf den gemeinsamen Bühnenauftritt. Aber auch ein wenig Bangigkeit: Jedes Treffen mit Harry Rowohlt, dem anderen genialen Übersetzer meines Vertrauens, endete für mich schier gottgewollt - nein: naturgemäß stockbesoffen unter jenem Tisch, auf dem dieser Unkaputtbare gerade erst angefangen hatte "auf die Pauke zu hauen" … wie Übersetzer zu Zeiten Heinz Rühmanns wohl noch fabuliert hätten, wenn es um eine gesunde Vernichtung gegangen wäre. Und um die geht es letzten Endes doch immer. Nicht?

Carl Weissner, legendärer Übersetzer von Bukowski, Burroughs, Dylan und Zappa, hat seine eigenen Bücher bisher immer auf Englisch geschrieben. Im März dieses Jahres ist sein erster deutschsprachiger Roman "Manhattan Muffdiver" im Wiener Milena Verlag erschienen - im Rahmen der von Thomas Ballhausen herausgegebenen Reihe "exquisite corpse". Aus diesem Buch wird Carl Weissner am 20.5. die Geschichte "Das Ende des Suicide Kid " lesen - seine persönlichen Eindrücke vom Begräbnis seines Freundes Charles Bukowski. Mit im Gepäck ist auch der Film "I'm still here. Bukowski zum 70. Geburtstag" von Thomas Schmidt - rares Material über den großen Bukowski.

Diskursängstlich wie ich bin, wenn es um "poststrukturalistische Textanalysen auf der Basis von Jacques Lacans Spiegeltheorie" geht, sehe ich mich als Weissners Gesprächspartner (gemeinsam mit Thomas Ballhausen, der auch den Lacan "draufhat") an diesem Abend "aus dem Schneider". Reichte doch Weissners Biografie und deren Verzahnung mit den Säulenheiligen der Generation BEAT für x+1 Oral-History-Abende zum Themenkomplex US Subculture/Underground. Unsere freudvolle Aufgabe dabei: Carl Weissner zum Öffnen seines Füllhorns zu animieren. Und dazwischen: gemeinsame musikalische Heroen der Epoche - Zappa, The Fugs, Dylan und andere Beatniks - wegspielen.

9. 3. 2010 Schon wieder ein Todestag, diesmal der von Charles Bukowski. Und wieder ein sechzehnter, wenn ich mich nach dem achten Achterl jetzt nicht verrechnet habe. Derart angeheitert könnte ich leicht neidig werden, weil: Carl Weissner trug bei Bukowskis Begräbnis zu einem Viertel dessen Sarg! Und jetzt hör her, du unschlüssig herumirrend potentielle(r) Käufer(in) (für diese politisch korrekten Klammern hätten mich die Beat-Autoren mit einem damals noch unerkannt herumliegenden Binnen-I erstochen): Was glaubst du, wer neben Weissner auch noch ein Viertel-Sargträger von Bukowski war? Na? … Sean Penn! Ja, genau: "Der" Sean Penn!! Allein diese Story von einer aus allen Rudern laufenden Bestattungsfeier ist - wie es so schön vertrottelt im Marketing- Journalismus heißt - jeden Cent des Kaufpreises wert. Got it?

Carl Weissner studierte Amerikanistik an den Universitäten Heidelberg und Bonn. Von 1965 bis 1969 gab er in Heidelberg die Literatur-Underground-Avantgarde-Zeitschrift "Klactoveedsedsteen" heraus, außerdem die Literaturzeitschriften "Gasolin 23" und "Ufo" (zusammen mit Jörg Fauser). Während eines anderthalbjährigen Studienaufenthalts in den Vereinigten Staaten kam er 1968 in New York und San Francisco in Berührung mit der amerikanischen Beat- und Underground-Literatur jener Zeit.

Daraufhin übersetzte er viele Jahre lang seine amerikanischen und britischen Freunde ins Deutsche: Charles Bukowski, William S. Burroughs, Nelson Algren, Allen Ginsberg und J. G. Ballard. Plus die kompletten Liedtexte von Bob Dylan und Frank Zappa. Bekannt wurde Carl Weissner auch als einer der wenigen Literaturagenten, die ihre Autoren europaweit vertreten (Bukowski, Bowles, Fante). Sein erster Roman erschien 1970 in San Francisco, sein letzter, "Death in Paris", ist auf der Burroughs Website http://www.realitystudio.org zu lesen. Carl Weissner lebt heute in Mannheim.

Meine erste Reaktion beim Lesen von Carl Weissners Roman "Manhattan Muffdiver" war jedenfalls fröhliches Staunen: Hey, solange da draußen noch solch herrlich renitente Närrinnen und Narren herumlaufen, muss man sich um das Aussterben der "Originale" noch keine Sorgen machen. Meine zweite: verdammt, die Jüngsten sind das aber auch nimmer. Bleibt als dritte Reaktion nur der Griff zum Megaphon: Achtung, Achtung, Junghühner und -hähne von heute, dieses Buch macht - unabhängig von Bildung und Herkunft - Lust auf abweichendes Verhalten und Re-Individualisierung: werdet verhaltensauffällig! Diese Buch fördert den Hang zum Müßiggang: werdet faul! Und nicht zuletzt: dieses Buch macht geil auf das Leben in all seiner verlausten und jämmerlichen Glorie. Macht geil, was euch geil macht!

Text: Fritz Ostermayer

Eine Veranstaltung in Kooperation mit FM4 und dem Milena Verlag.

Service

Carl Weissner: Manhattan Muffdiver
Donnerstag, 20. Mai 2010
19:30 Uhr
Großer Sendesaal

Links
Milena Verlag
William S. Burroughs-Communitiy