Porträt der Millionenerbin Marlene Engelhorn

ULRICH PALZER

Im Zeit-Raum: Besteuert uns endlich!

Über Reichtum und Vermögensverteilung diskutieren Millionenerbin Marlene Engelhorn und der Vermögensforscher Martin Schürz bei Johannes Kaup.

Das Vermögen der 100 reichsten Österreicher/innen ist ein Jahr nach dem Beginn der Pandemie deutlich gewachsen. Sie besitzen knapp zehn Prozent des gesamten Vermögens, das sind in Zahlen mehr als 200 Milliarden Euro. Darunter befinden sich 46 Milliardäre, um fünf mehr als im Vorjahr. Die 500 reichsten Familien in Österreich verfügen - laut Boston Consulting Group - über 34% des gesamten Finanzvermögens. Weltweit gesehen weist der Globale Vermögensbericht der Credit Suisse (Juni 2021) 56,1 Millionen Dollarmillionäre aus. Sie haben in den letzten zwanzig Jahren ihr Vermögen auf 191,6 Billionen US-Dollar vervierfacht. Das sind 46% des globalen Reichtums. Im Vergleich dazu haben 2,9 Milliarden Menschen (55% der erwachsenen Weltbevölkerung) unter 10.000 Euro zur Verfügung. Der Trend ist eindeutig: die Schere zwischen Arm und Reich driftet immer weiter auseinander und wirft fundamentale Gerechtigkeitsfragen auf.

Mit einer Recherche hat die investigative Plattform "ProPublica" in den USA für Aufsehen gesorgt. Bei einem Vergleich der Bundeseinkommenssteuer zeigte sich, dass die 25 Reichsten im Schnitt nur 3,4 Prozent an Steuerabgaben leisten. Denn anders als die Normalverdiener setzt sich der Reichtum der Milliardäre weniger aus deren Einkommen, sondern vielmehr aus den Wertsteigerungen von Vermögen wie Aktien, Grund – und Immobilienbesitz zusammen. Die USA brauche eine Reichensteuer, "damit die Ultrareichen endlich ihren gerechten Anteil zahlen", fordert etwa die demokratische Senatorin Elizabeth Warren.

Die Debatte über Vermögenssteuern gibt es auch in Europa und ist jetzt in Österreich neu entfacht worden.
Die 29-jährige Germanistik-Studentin Marlene Engelhorn wird einen hohen zweistelligen Millionenbetrag erben. Doch sie will 90 Prozent davon gemeinwohlorientiert spenden, weil sie nichts durch ihre Leistung zu diesem Vermögen beigetragen habe. So große Vermögen sind für sie nicht nur unethisch, sondern auch undemokratisch, wie sie sagt: "Es kann nicht sein, dass superreiche Menschen in einem Staat im Hintergrund entscheiden". Engelhorn setzt sich für Vermögenssteuern ein, die es in Österreich nicht gibt und fordert "Besteuert mich endlich". Dazu vernetzt sie sich mit gleichgesinnten Vermögenden und jungen Erbinnen und Erben, wie "Millionaires for humanity", die sich für eine gerechte Verteilung von Reichtum und Macht einsetzen.

Portrait von Martin Schürz

Martin Schürz (c) Luiza-Lucia Puiu

Wie Vermögen verteilt wird, ist keine private Frage. Sie geht alle etwas an. Das sagt der renommierte Vermögensforscher Martin Schürz. In seinem 2019 preisgekrönten politischen Buch "Überreichtum" zeigt er wie exzessiver Reichtum die Demokratie und die politische Gleichheit gefährdet. Dr. Martin Schürz ist Ökonom und individualpsychologischer Analytiker in Wien. Er forscht seit mehr als zwei Jahrzehnten zur Vermögensverteilung in Europa und ist Lektor an der WU in Wien. 2015 erhielt er den Progressive Economy Award des Europäischen Parlaments.
Aber es gibt auch warnende Stimmen aus der Wirtschaft. Vermögen sind oft auch in privaten Unternehmen gebunden. Eine Vermögenssteuer würde in die Substanz der Unternehmen eingreifen und ihren Fortbestand erschweren, an dem wiederum Arbeitsplätze hängen. Außerdem könnten Reiche ihr Vermögen in einen Nachbarstaat verschieben und in einem Niedrigsteuerland dann auch ihre Einkommenssteuer zahlen. Dem Staat würden dann in Summe weniger Steuermittel zur Verfügung stehen. Wie also umgehen mit Exzessiven Reichtum und Vermögen?