Markus Meyer

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Under the Surface: Der Schuss im Park

Markus Meyer liest aus einer Erzählung des 1862 geborenen Dramatikers Gerhard Hauptmann.

Ein Mann namens Konrad besucht seinen Onkel, einen am Fuße des Riesengebirges lebenden ehemaligen Oberförster und Gutsverwalter. Bei einem Spaziergang kommen sie auf dessen frühere Dienste und Freundschaft mit dem Grafen van der Diemen zu sprechen. Mit diesem war der Onkel viel gereist, unter anderem sogar bis nach Afrika. Dort machten beide die Bekanntschaft des baltischen Barons Degenhart, der sie am Lagerfeuer kurzweilig an seinen abenteuerlichen Erlebnissen teilhaben lässt. Ebenda, in Afrika, findet auch ein verstörendes Intermezzo mit einer jungen Farbigen statt, welche sich dem Baron zu Füßen wirft. Etwa ein Jahrzehnt später trifft der Förster den Baron als mittlerweile zum Ehemann der Baronin Weilern arrivierten Familienvater wieder. Von dem einstigen Abenteurer scheint nicht viel übrig zu sein, einzig im Spiel mit den zärtlich geliebten Kindern blitzt etwas von der alten Ungebundenheit und Wildheit auf. Bei einem Souper erzählt einer der Gäste, es treibe sich eine fremdländische Frau mit ihrem Sohn in der Gegend herum. Der Baron erblasst. Kurze Zeit später fällt im Park des Herrenhauses ein Schuss. Der „Schuss im Park“ ist eines der letzten Werke Gerhart Hauptmanns. Die 1939 erstmals erschienene Novelle wurde einerseits als mondän, andererseits als abenteuerlich empfunden. Für den Ort des Vorabdrucks, die Zeitschrift „Die Dame“, schien sie jedenfalls wie gemacht, hatte Hauptmann den Text doch mit einem hohen Unterhaltungswert versehen. Er musste einen Publikumserfolg auf den Markt bringen, da die nationalsozialistische Publikationspolitik am Vorabend des Zweiten Weltkrieges die Verdienstmöglichkeiten des Nobelpreisträgers drastisch eingeschränkt hatte. Und in der Tat wurde „Der Schuss im Park“ von offiziellen Stellen als „rassenschänderisch“ bezeichnet, mit der Folge, dass das Papierkontingent für eine zweite Auflage gesperrt wurde. Der Autor musste bei seiner Publikation diese Reaktion in Kauf genommen haben. Zwar wird allgemein angenommen, dass Hauptmann die Novelle nicht in bewusster Opposition gegen Hitlers Rassengesetze geschrieben habe. Dennoch sollte man die Ironie und Schalklust nicht übersehen, die ihn hier - wie so oft - gereizt haben mochte, gängigen Auffassungen auf seine Weise entgegenzuwirken.