"Meine liebsten Weihnachtsgeschichten"
"Gegen Ende des Krieges wohnten wir - wegen der Bombardierung der Städte - in einem Dorf auf dem Land. Wir gingen im tiefen Schnee auf der Landstraße... zur Kirche, um die Mitternachtsmette zu feiern. Vor mir die alte Bäuerin mit ihrer großen Laterne... Als aus der Ferne durch das Tal das erste Glockenläuten zu hören war, sah man durch die Wälder und Hänge einzelne Lichter oder zwei, drei hintereinander, wie Sterne, in das Tal herunterkommen... Das Nachhausegehen war anstrengender... Doch die Stille wurde durch das Brummen der anfliegenden amerikanischen Bomber gestört. Die Kerzen der Laternen wurden aus Angst gelöscht... Das Rauschen..., das zu hören war, kam tatsächlich vom Himmel, von den Flugzeugen. Es waren Silberstreifchen, die in großen Mengen abgeworfen wurden, Sie glitzerten im Mondlicht. Am Tag holten wir uns die Silberstreifchen und schmückten damit den Weihnachtsbaum. Heute heißt dieses Silber 'Lametta'."
Karl Merkatz, der Sohn eines Feuerwehrmannes aus Niederösterreich, lernte zunächst Tischler. Schon bald jedoch entdeckte er seine Liebe zum Schauspiel. Er nahm Unterricht in Salzburg, Wien und Zürich und machte am Mozarteum seine Abschlussprüfung mit Auszeichnung. Zwei Rollen, den Edmund Sackbauer und den Karl Bockerer, interpretierte er dermaßen beeindruckend, dass er damit österreichische Fernsehgeschichte geschrieben hat. Mit dem polternden proletarischen Haushaltsvorstand Edmund "Mundl" Sackbauer in Ernst Hinterbergers Serie "Ein echter Wiener geht nicht unter", die 1974 bis 1977 produziert wurde, gelang ihm auch der Durchbruch zum Fernsehstar.
Auch mit Franz Antels "Bockerer" schrieb Merkatz österreichische Filmgeschichte: Die erste und sicher die berühmteste der vier Bockerer-Folgen erzählt vom tragikkomischen Widerstand des kleinen Fleischhauers Karl Bockerer in der Nazidiktatur. Auf der Bühne spielte Merkatz Raimund und Nestroy, Goethe, Beckett und Shakespeare. Bei den Salzburger Festspielen stand er 2005 im "Jedermann" als "Armer Nachbar" und als "Gott" auf der Bühne. Im Laufe seiner Karriere hatte er mehr als 150 Theaterengagements, darunter in Salzburg, Wien, Hamburg und Antwerpen.
Die Geschichten in seinem neuen Weihnachtsbuch stammen von so unterschiedlichen Autorinnen und Autoren wie Heinrich Böll, Bertolt Brecht, Clemens Brentano, Hermann Hesse, Erich Kästner, Rosa Luxemburg, Christine Nöstlinger, Gerhard Polt, Rainer Maria Rilke, Joachim Ringelnatz, Luise Rinser, Ludwig Thoma, Georg Trakl, Kurt Tucholsky, François Villon und Oscar Wilde. Darüber hinaus enthält das Buch zwei bislang unveröffentlichte Geschichten von Karl Merkatz selbst: "Die vier Kerzen" und "Wie waren Weihnachten?"
Text: Georg Tidl
Buch-Tipp
Karl Merkatz, "Meine liebsten Weihnachtsgeschichten", Haymon Verlag
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Haymon Verlag