Farinelli & Söhne
Carestini, Caffarelli oder Farinelli… klangvolle Namen von Kastraten des goldenen Zeitalters der italienischen Opera seria, die auch heute noch ein Begriff sind. Bereits in der späten Antike verstümmelte man Knaben noch vor dem Stimmbruch, um so ihre reinen Stimmen zu erhalten und begründete damit den späteren Siegeszug des "cantar che nell'anima si sente", des "Singens, das an die Seele rührt".
Verantwortlich für diese ungewöhnliche Entwicklung in der Musikgeschichte war die katholische Kirche. Diese interpretierte die bekannte Stelle im Brief Paulus’ an die Korinther "mulieres in ecclesiis taceant" (Kor 14,33) so, dass Frauen nicht nur als Predigerinnen schweigen sollten, sondern auch als Sängerinnen. So war es im Kirchenstaat keinen Frauen, sondern nur Knaben in hohen Lagen oder Falsettisten - Sängern mit Kopfstimme - gestattet, Lieder vorzutragen. Bald entdeckte man, dass durch eine kleine unauffällige - wenn auch schmerzhafte und mit hohem Blutverlust einhergehende - Operation diese Knabenstimmen erhalten werden konnten.
Gepaart mit dem vollen Lungenvolumen des erwachsenen Kastraten entstanden kraftvolle und "engelsgleiche" Stimmen in Alt- oder Sopran-Lage, die auch in der Oper nach und nach sämtliche Frauenrollen übernahmen. In Rom gab es Ende des 16. Jahrhunderts in etwa 100 Kastraten, Mitte des 17. Jahrhunderts waren es bereits mehr als 200. Freilich verbot die katholische Kirche gleichzeitig die Kastration, allerdings sollte sich die dieser Verordnung widersprechende Praxis bis ins 20. Jahrhundert hinziehen. Letzter bekannter Kastrat der Sixtinischen Kapelle war Alessandro Moreschi, gestorben 1922 in Rom, von dem sogar Tondokumente erhalten sind.
Bekanntester Protagonist dieser Zunft jedoch bleibt Farinelli, eigentlich Carlo Broschi, geboren 1705 in Andria, gestorben 1782 in Bologna. Ihm zu Ehren präsentierte das ORF RadioKulturhaus Musik von der Renaissance bis zur Moderne. Mit Markus Forster, Kai Wessel und Terry Wey ist es gelungen, drei Countertenöre von internationalem Rang für dieses "Festival der hohen Töne" zu engagieren. Terry Wey war am zweiten Abend zu hören, brachte dabei sein Vokal-Ensemble "Cinquecento" mit und trug in dieser Besetzung Werke der Renaissance vor.
Markus Forster und Kai Wessel sind an beiden Abenden anwesend und interpretieren Werke der Moderne und des Barock. Begleitet werden sie vom Wiener Barockensemble "Bach Consort Wien" unter der Leitung von Rubén Dubrovsky, vom Ensemble Unicorn (Michael Bosch, Blockflöte, und Thomas Wimmer, Laute und Oud) und dem Konzertpianisten Luca Monti. Abschluss jedes Abends sind Werke oder das Finale einer barocken Oper in großer Besetzung. Dabei wird - als einzige Frau - die Sopranistin Maria Erlacher mitwirken.
Auch talentierte Newcomer der Countertenor-Szene traten auf: Harald Maiers, Armin Gramer und Jakob Huppmann mit Werken der Romantik und Klassik. Zur Aufführung gelangten Werke von John Blow, Henry Purcell, J. S. Bach, Antonio Caldara, G.F. Händel, Hanns Eisler, W. A. Mozart, Gioachino Rossini, Clara Schumann, Antonio Vivaldi, Kai Wessel, Franz Schubert, Peter Dickinson und Benjamin Britten.
Text: Reinhard Seifert
Erstes Countertenor Festival Wien "Farinelli & Söhne"
Bach meets Avantgarde
Das Programm:
Anonym (14. Jh.) "Trois doux compaines" mit Markus Forster; John Blow "Ode zum Tod von Henry Purcell" mit Kai Wessel und Jakob Huppmann; J.S. Bach "Vergnügte Ruh" mit Harald Maiers; G.F. Händel "A dispetto d’un volto ingrato" aus "Tamerlano" mit Kai Wessel; G.F. Händel "Tacero, pur che fedele" aus "Agrippina" mit Armin Gramer; Schubert-Dickinson "Hurk Hurk the lark" mit Markus Forster; B. Britten "Down by the sally garden" mit Markus Forster. Es begleiten Bach Consort Wien, Ensemble Unicorn und Luca Monti.
Montag, 24. November 2008
19:30 Uhr
Großer Sendesaal
Rossini goes Renaissance
Das Programm:
O. Lassus "Pacis Amans", W. Byrd "O salutaris hostia“ und P. Verdelot "Ultimi miei sospiri" mit dem Vokalensemble Cinquecento; J.S. Bach "Schlummert ein" aus "Ich habe genug" mit Harald Maiers; N. Porpora "Alto giove" aus "Polifemo" mit Armin Gramer; G.F. Händel "Orride larve/Chiudetevi, miei lumi" aus "Admeto" mit Kai Wessel; G.F. Händel "Ombra mai fu" aus "Serse" mit Terry Wey; G.F. Händel "Presti omai" aus "Giulio Cesare" mit Terry Wey; G.F. Händel "Langue, geme, sospira" mit Maria Erlacher und Markus Forster; C. Schumann "Ich stand in dunklen Träumen" mit Markus Forster; G. Mahler "Oft denk’ ich, sie sind nur ausgegangen" aus "Kindertotenlieder" mit Terry Wey; Balz Trümpy "Indianisches Lied" mit Terry Wey; Hanns Eisler "Lied" mit Kai Wessel; Kai Wesel "Für mich" (1984); Überraschungsstück als großes Finale.
Dienstag, 25. November 2008
19:30 Uhr
Großer Sendesaal
Links
Kai Wessel
Markus Forster
Maria Erlacher
Terry Wey und Vokalensemble Cinquecento
Bach Consort Wien
Ensemble Unicorn
Luca Monti