In Eigenregie: "Ein unbekannter Freund"

Das TV-Publikum begeistert sie als Schwester des "Winzerkönigs" Harald Krassnitzer, im RadioKulturhaus nahm sich Katharina Stemberger einer selten gelesenen Kostbarkeit an: Iwan Bunins "Ein unbekannter Freund".

Im Moment verbringt Katharina Stemberger viel Zeit im Burgenland, wo die Dreharbeiten zur zweiten Staffel von "Winzerkönig" im Gange sind. Die Arbeit für die erfolgreiche ORF Fernsehserie macht der viel beschäftigten Schauspielerin Spaß, aber Fernsehen sei eben "ein bisschen wie safer sex. Alles wird in Watte eingepackt. Die Konflikte sind dieselben wie im Kinofilm, nur kann man mit dem Publikum angeblich nicht bis an die Schmerzgrenze gehen."

Im RadioKulturhaus las Katharina Stemberger Iwan Bunins Briefnovelle "Ein unbekannter Freund" in der Übersetzung von Swetlana Geier. Die fiktive Briefschreiberin darin versucht eine Grenze zu überschreiten: Jene zwischen Autor und Leserin. Die einsame Frau im mittleren Alter ist tief berührt von der Lektüre eines Buches und beginnt dem Autor Briefe zu schreiben. Vierzehn sehnsüchtige Briefe schickt sie dem Unbekannten, erzählt ihm aus ihrem Leben und erhält nie eine Antwort.

In eine andere Welt gehen...

Katharina Stemberger ist durch ihren Schauspielerkollegen Martin Müller-Reisinger, mit dem sie schon eine Reihe von Leseprogrammen absolviert hat und der im RadioKulturhaus - begleitet vom Pianisten Thomas Kerbl - Gedichte von Bunin las, auf die Briefnovelle gestoßen. Der Text hatte sie sofort sehr berührt, sie konnte gut nachvollziehen was die Hauptfigur macht. "Mein ganzes Leben lang ist es mir mit Literatur so gegangen, dass ich dermaßen eintauche, dass wenn dann ein Roman zu Ende ist, ich mich verstoßen fühle, allein ohne all meine Freunde, die ich da kennen gelernt habe. Und sofort suche ich nach dem nächsten Buch dieses Autors, weil ich aus dieser Welt nicht raus will."

Ob im Film, im Theater oder als Lesende - Schauspielerei ist "in eine andere Welt gehen, heißt nicht da zu sein". Als ersten Impuls in Richtung Schauspielerei gibt Katharina Stemberger die Filme von Ginger Rogers und Fred Astaire an. Einige werden wohl auch von ihrer Künstlerfamilie ausgegangen sein. Mit Mutter Christa Schwertsik, Schwester Julia Stemberger und Stiefvater Kurt Schwertsik tritt sie immer wieder und sehr gerne auf. Als nächstes ist das Stemberger/Schwertsik-Familientheater mit einer eigenwilligen Interpretation der schwarzhumorigen Gilbert & Sullivan-Operette "Der Mikado" im Volkstheater zu sehen. Premiere ist im Jänner.

Wie schnell verrutscht das Leben...

Katharina Stemberger weiß, was das Erzählen von Geschichten auslösen kann. Was Bunins Briefschreiberin macht, nämlich immer nachdrücklicher vom verehrten Dichter eine Antwort zu fordern, wäre sie, Katharina Stemberger, auch imstande. "Wie schnell verrutscht das Leben. Man trifft auf eine Seelenfrequenz, die so zwingend ist, dass man in einen Dialog treten möchte."

Die Art und Weise wie Iwan Bunin, der erste Literatur-Nobelpreisträger Russlands (1870-1953), der "letzte Klassiker" der realistischen Erzähltradition Puschkins, Turgenjews, Tschechows und Tolstois und einer der bedeutendsten russischen Exildichter, in wenigen Strichen ein gesamtes Leben aufblättert "und eine Einsamkeit da heraus rinnt, die so berührend ist. Etwas Zartes, Wunderbares.", beeindruckt die Leserin und fordert die Schauspielerin heraus.

Man sperrt etwas auf, das ist ganz still...

Man sehnt sich nach Erlösung für diese Figur. Katharina Stemberger stellt sich die Hollywood-Filmversion vor: "Kate Blanchett sitzt in einem Haus in Irland…Gebt mir ein schön ausgeleuchtetes Haus und ich spiele die Rolle sofort selbst.", lacht sie. Denn selten habe sie die Sehnsucht nach Sinnerfüllung und Glück so elegant formuliert gefunden wie in diesem schmalen, schlichten Text. "Durchscheinend, elegisch. Ein literarisches Kleinod." Diesen Text zu lesen ist eine intime Angelegenheit: "Man sperrt etwas auf, das ist ganz still."

Text: Gudrun Hamböck

Eine Veranstaltung mit Unterstützung der PRIVAT BANK der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

In Eigenregie: "Ein unbekannter Freund"
Es lasen: Katharina Stemberger und Martin Müller-Reisinger
Klavierparaphrasen über Lieder von Franz Schubert: Thomas Kerbl
Dramaturgie: Angelika Messner
Freitag, 21. Dezember 2007
19:30 Uhr
Großer Sendesaal

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Katharina Stemberger