Im Zeit-Raum: Die Zukunft der Religion

Quo vadis? - Wohin wird das Bedürfnis nach Spiritualität den modernen Menschen führen? In die Kirchen? Eugen Drewermann, der Kirchenrebell aus Paderborn, sprach mit Johannes Kaup über die Zukunft der Religion.

Der deutsche Theologe Eugen Drewermann zählt zweifellos zu den spannendsten und zugleich umstrittendsten Autoren, die die römisch-katholische Kirche der Gegenwart hervorgebracht hat. Seine mittlerweile 50 Bücher gehen immer wieder unter die Haut, weil er einen authentischen Diskurs führt. Eines seiner jüngsten Bücher beschäftigt sich mit der Zukunft des Glaubens. Seiner Ansicht nach ist der Glaube die letzte Hoffnung selbst in einer wesentlich indifferenten, von Kampf und Leid gezeichneten Welt. Wenn Religion als Rückbindung an und Suche nach Gott verstanden werden soll, muss sie sich - wenn sie authentisch und angesichts der modernen Naturwissenschaften glaubwürdig bleiben will - von Äußerlichkeiten und zum Teil archaischen Dogmatisierungen lösen. Sonst kann die Religion für den zeitgenössischen Gläubigen nicht fruchtbar werden.

Nicht rigide Moralkodizes und ein religiöser Gesetzesfetischismus können nach Drewermann die Welt von morgen zusammenhalten, sondern einzig und allein der Impetus der Liebe bei gleichzeitigem Verzicht auf die vorbehaltlose Durchsetzung der eigenen Willensäußerungen (Buddhismus). Drewermann erläutert zentrale religiöse Lebenshaltungen, ob islamischer, buddhistischer, hinduistischer, taostischer, jüdischer oder christlicher Herkunft. Er zeigt, wie sie in eine religiöse Lebenssicht eingehen und wie sie sich mit modernen naturwissenschaftlichen Kenntnissen vertragen. Drewermann spricht anschaulich davon, wie der Mensch im Glauben frei werden kann von der Angst vor Krankheit, Alter, Tod, Armut und wie der Glaube angesichts von Leid und Gewalt helfen kann. Das "Zu uns selbst kommen" steht am Anfang des Glaubens, sagt Drewermann, und nicht ein fremdbestimmtes, außengelenktes Leben.

Eugen Drewermann, Jahrgang 1940, wuchs mit zwei älteren Geschwistern in der westfälischen Bergarbeiter-Gemeinde Bergkamen auf. Seine Mutter war katholisch, sein Vater, ein Bergarbeiter, evangelisch. Drewermann studierte von 1959-1965 Philosophie in Münster und Katholische Theologie in Paderborn. 1966 wurde er zum Priester geweiht. Er arbeitete als Studentenseelsorger, und ab 1968 ließ er sich in Göttingen in Neopsychoanalyse ausbilden. 1978 habilitierte er sich in Katholischer Theologie und erhielt die Paderborner Lehrerlaubnis für Dogmatik. Im Oktober 1991 entzog ihm Erzbischof Johannes Joachim Degenhardt die katholische Lehrbefugnis und im Januar 1992 die Predigtbefugnis. Im März 1992 folgte die Suspension vom Priesteramt. Ursache waren von der Kirchenführung abweichende Ansichten Drewermanns in Fragen der Moraltheologie und der Bibelauslegung. Am 20. Juni 2005, seinem 65. Geburtstag, trat Drewermann nach eigenen Angaben aus der römisch-katholischen Kirche aus.

Drewermann ist als Lehrbeauftragter an der Universität Paderborn, als Schriftsteller, Redner und Seelsorger tätig. Beeinflusst von Carl Gustav Jung und Sigmund Freud legt Drewermann biblische Texte vorrangig tiefenpsychologisch aus, wovon auch sein Buch Tiefenpsychologie und Exegese (1988) zeugt. Später stützt er sich stärker auf Freud. Sich selbst sieht Drewermann in erster Linie als "Wegweiser", der den Menschen helfe Fragen wie "Gibt es einen modernen Gott?", "Lebt er unter uns?" und "Leidet er und freut er sich mit uns?" zu beantworten. Denn bei allem Dissens mit der Amtskirche, in einem stimmt Drewermann auf seine Art mit ihr überein: Er glaubt an die Zukunft des Glaubens. "Die Menschen werden immer nach unbedingtem Vertrauen und religiösem Sinn suchen", sagt er. Allerdings werde die Institution Kirche dabei eine immer geringere Rolle spielen

Text: Johannes Kaup

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Wiener Zeitung.

Im Zeit-Raum: Quo vadis? - Die Zukunft der Religion - Eugen Drewermann
Mittwoch, 16. Jänner 2008
18:30 Uhr
Großer Sendesaal

Hör-Tipp
Ö1 Extra, Samstag, 28. Juni 2008, 22:35 Uhr

Link
Wiener Zeitung