Wiener Musik Galerie: Franz Koglmann

Franz Koglmann, Wiener Grenzgänger am Schnittpunkt von Jazz, E-Musik und Literatur, widmet sein neues Monoblue Quartet Programm "Lo-lee-ta - Music on Nabokov" dem Magier der genialen Kühle. Eine Uraufführung.

Die Wiener Musik Galerie präsentierte im RadioKulturhaus eine Hommage an Franz Koglmann. Zu hören waren "Lo-lee-ta" und die "Nocturnal Walks". Mit dem Kompositionszyklus "Lo-lee-ta" unternimmt Franz Koglmann den Versuch, einige Erzählstränge und Charakterprofile aus dem Werk des großen russisch-amerikanischen Autors Vladimir Nabokov in die abstrakte Sprache der Musik zu übersetzen. Mit "Nocturnal Walks" wurde Koglmanns freie Bearbeitung von Joseph Haydns "Hermannstädter Symphonie", die anlässlich der Kulturhauptstadt Sibiu/ Rumänien 2007 uraufgeführt wurde und für die er den Ernst-Krenek-Preis erhielt ´live` zu Gehör gebracht. Gewissermaßen der inoffizielle Auftakt zum Haydn-Jahr.

Zweimal Koglmann also: "Lo-lee-ta", komponiert für das "Monoblue Quartet" - mit Tony Coe (Saxofone, Klarinette), Ed Renshaw (Gitarre) und Peter Herbert (Bass) - nimmt die Herausforderung an, die Texte des Fallenstellers Nabokov, der "Täuschungen, Fallen, Preisgabe der Deckung, Irreführung bis zur Hexerei" zu den Maximen seiner literarischen Produktion machte, als Klang und akustische Spurensuche neu zu entwerfen.

Ausgangspunkt seines Nabokov-Zyklus´ ist das "Love Theme from Lolita“ von Bob Harris aus dem gleichnamigen Kubrick-Film. Nicht viel mehr als eine Kreativzelle, deren Tonmaterial durch eine Serie von Permutationen, Umkehrungen, Krebsgängen und polyphonen Verzweigungen gejagt wird und wie ein Prisma unterschiedlichste Facetten von Nabokovs raffinierter Erzählkunst reflektiert.

Im zweiten Teil des Abends wurde dann "Nocturnal Walks" vom exxj ... ensemble xx. jahrhundert unter dem Dirigat von Peter Burwik aufgeführt. Ein anderes Spiel, eine neue Versuchsanordnung. An die Stelle der klanglichen Haikus von "Lo-lee-ta" tritt die akustische Epik: Kammerorchester statt Chamber Jazz, breiter Pinsel statt Kohlezeichnung. Sprache wird in Nocturnal Walks nicht klanglich umspielt, sondern ist in Gestalt der Tonbandstimme des genialen Aphoristikers E. M. Cioran in der Komposition anwesend.

Das Akkordeon rülpst am Wirtshaustisch, die Bläser ergehen sich in mahlerhaften Glissandi und Schleiftönen. Hier hängt alles windschief in den Angeln, aufrechterhalten nur von den oszillierenden Zittertönen eines Vibrafons. Franz Koglmann gönnt sich einen seltenen Ausflug vom Elfenbeinturm in die Vulgarität des Allzumenschlichen, zitiert unverblümt aus Volksklang, Zigeunermusik und Meistersymphonie, und kostet die Dialektik zwischen dem Sublimen und der Groteske aus. Nocturnal Walks: Eine Musik, die irgendwo aus fernen Zonen des Bewusstseins herbeigeweht erscheint, wiedererkennbar, und doch so fern.

"Man kann der Realität zwar näher und näher kommen", hat Vladimir Nabokov geschrieben, "aber man kommt ihr nie nahe genug. Denn Realität ist eine endlose Folge von Schritten, ein Stapel aufeinandergeschichteter Wahrnehmungen, eine Serie doppelter Böden."

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Wiener Musik Galerie, unterstützt von der Kulturabteilung der Stadt Wien und Austro Mechana - SKE Fonds.

Wiener Musik Galerie: Franz Koglmann - Lo-lee-ta - Music on Nabokov
Freitag, 12. Dezember 2008
19:30 Uhr
Großer Sendesaal

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Wiener Musik Galerie