Im Zeit-Raum: David Steindl-Rast

David Steindl-Rast ist religiöser Grenzgänger, Förderer des interreligiösen Dialogs, Benediktiner-Mönch und Mystiker und hat in 100 Ländern der Erde Menschen in Meditation und Gebet unterrichtet. "Bruder David" zu Gast bei Johannes Kaup.

"Dass du noch nicht gestorben bist, reicht nicht aus als Beweis, dass du wirklich lebst. Lebendigkeit bemisst sich am Grad deines Wachseins. Voll Staunen darüber aufwachen, dass wir in einer "gegebenen" Welt leben, bedeutet lebendig werden. Das Bewusstsein dieser Überraschung ist der Anfang der Dankbarkeit."

Diese Worte hat David Steindl-Rast geschrieben. Der Benediktinermönch und Mystiker, der es vor allem in Nordamerika zu großer Bekanntheit gebracht hat, stammt ursprünglich aus Österreich. 1926 wurde er in Wien geboren und ging nach seinen Studien in Psychologie, Anthropologie und Kunst in die USA. Dort lernte er Thomas Merton kennen und trat in das neugegründete benediktinische Reformkloster Mount Saviour ein.

Nach zwölf Jahren philosophischer und theologischer Ausbildung engagierte er sich mit vatikanischer Erlaubnis für den Dialog zwischen Christentum und Zen-Buddhismus. Mehrere Jahre ließ er sich in Zen-Klöstern in östlicher Meditationspraxis unterweisen. Er ist überzeugt davon, dass die so unterschiedlichen Religionen sich auf einem gemeinsamen Erfahrungsgrund begegnen können. Deshalb können sie auch einen substanziellen Beitrag für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung leisten.

Um den interreligiösen Dialog zu fördern, gründete Steindl-Rast in den 70er-Jahren - gemeinsam mit Rabbinern, Buddhisten, Hinduisten und Sufis - das "Centre for Spiritual Studies". In über 100 Ländern der Erde hat "Bruder David" Menschen in Meditation und Gebet unterrichtet. Er gilt als in der christlichen Tradition tief verwurzelter Grenzgänger, als einer, der Dualismen verbindet und überwindet: zwischen Glaube und Naturwissenschaft, Alltag und Mystik, Christlichem und Nichtchristlichem. Im deutschen Sprachraum wurde David Steindl-Rast vor allem durch sein Buch "Wendezeit im Christentum" bekannt, das er zusammen mit dem Naturwissenschaftler Fritjof Capra verfasst hat. Weitere Werke sind "Fülle und Nichts", sowie "Staunen und Dankbarkeit".

Jeder Mensch ein Mystiker?

David Steindl-Rast ist überzeugt davon, dass jeder Mensch potentiell ein Mystiker ist: fähig zu einer Erfahrung der letzten Wirklichkeit. Von der Sehnsucht nach einem Leben in Fülle, ist jeder angetrieben, ob er sich dessen bewusst ist oder auch nicht. Die Frage ist nur, ob er es lernt, die Automatismen einer lauten, geschäftigen und schnellen Gesellschaft zu überwinden. Dabei liegt es zu einem großen Teil an der Entscheidung des einzelnen, ob er sein Herz der Tiefe eines Augenblicks zu öffnen vermag.

Still-Werden, Auf-Wachen und Sich-Einlassen sind für David Steindl-Rast die Schlüsselwörter für ein lebendiges Existieren in diesem Augenblick. Am Anfang steht das Horchen und Empfangen. Daraus erwächst das Antworten und Handeln. "Mit unserem Intellekt können wir, was uns geschenkt ist, als Geschenk erkennen. Aber nur unser Herz kann sich zur Dankbarkeit aufschwingen und so Sinn finden." Dass in diesem Sinne aus dem Herzen lebende Menschen ihre kleine oder große Welt zum Positiven verändern, ist ein Zeichen spiritueller Authentizität und Gesundheit.

Text: Johannes Kaup

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Wiener Zeitung.

Im Zeit-Raum: "Aufwachen und aus dem Herzen leben - Spiritualität in einer flüchtigen Zeit" - David Steindl-Rast
Donnerstag, 24. September 2009
18:30 Uhr
Großer Sendesaal