"Apropos Musik": Ioan Holender im Gespräch mit Alexander Wrabetz
Länger als Gustav Mahler, Richard Strauss, Herbert von Karajan und alle anderen seiner Vorgänger leitete Ioan Holender die Wiener Staatsoper. Den Ruhestand gönnt er sich jedoch noch lange nicht: Im RadioKulturhaus wird er monatlich mit Persönlichkeiten aus Kultur, Politik und Unterhaltung über deren musikalische Vorlieben sprechen. Zum Auftakt war ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bei Ioan Holender zu Gast. Claudia Gschweitl hat Ioan Holdender über seine neue Rolle befragt:
Sie sind ja für Ihren nicht allzu zartfühlenden Umgang mit Journalisten bekannt. Ist es auch der Reiz, einmal die Rollen zu tauschen, der Sie bewegt?
Wenn man so viele Jahre immer wieder gefragt war, ist es doch ganz interessant, wenn man sich jetzt auch als Fragender artikulieren darf (schmunzelt).
Die Gäste ihrer Sendung werden ihre Lieblingsmusik mitbringen. Eine aussagekräftige Auswahl zu treffen, kann mitunter ganz schön schwer sein. Welche Musik würden Sie selbst denn aussuchen?
Oh Gott, oh Gott! Das ist natürlich nicht leicht, wenn Sie mich so fragen. Aber es würde mir natürlich schon was einfallen. Es gibt gewisse Schallplattenaufnahmen, welche ich immer wieder sehr gerne höre, welche man sonst eher nicht zu hören bekommt. Meistens Sänger und Sängerinnen, die nicht mehr leben. Aber auch Romanzen, ich würde zum Beispiel gerne Maurice-Chevalier-Chansons hören, auch Stücke aus der rumänischen Folklore. Natürlich auch aus dem Gebiet der Klassik. Aber auch aus jenem der Unterhaltungsmusik. Es gibt auch ganz tolle Filmmusik.
Gibt es ein musikalisches Genre, mit dem Sie persönlich gar nichts anfangen können?
Ja, das gibt es. Und zwar diese Musik, die so laut ist, dass sie von der Lautstärke des Dargebotenen physische Schmerzen bekommen. Ich verstehe auch diese Lokale nicht, wo junge Leute hingehen und die Musik so laut ist, dass sie sich überhaupt nicht unterhalten können. Im Theater nimmt das jetzt ja auch schon eine Entwicklung. Da war neulich ein Stück, von Castorf inszeniert, da habe ich nur bis zur Pause durchgehalten. Die Schauspieler haben dort brüllend und schreiend und unverständlich irgendwelche Laute von sich gegeben. Und das gibt es auch in der Unterhaltungsmusik, nicht in der Klassik - die tut auch manchmal weh, aber aus anderen Gründen (lacht). Damit kann ich nichts anfangen. Ich habe mir auch noch nie in meinem Leben ein Rock'n'Roll-Konzert angehört. Ich sehe das eher als ein Versäumnis meinerseits. Aber eine große Nähe dazu habe ich nicht. Andererseits habe ich die Laudatio für die Christina Stürmer gehalten. Also ich hab keine Berührungsängste, mit keiner Art von Musik.
Das heißt, die Gäste könnten vielleicht auch noch Ihren musikalischen Horizont erweitern?
Richtig. Die Gäste können auch mein Interesse für neue Stücke erwecken.
Welche Rolle spielt Musik eigentlich in Ihrem privaten Alltag?
In meinem privaten Alltag spielt Musik keine große Rolle. Ich sitze nicht zu Hause und höre mir Aufnahmen an, Konzerte im Radio allerdings schon.
Was kann Musik bewirken und was nicht?
Es gibt nichts, was Musik nicht bewirken kann. Also die zweite Frage ist damit beantwortet. Musik kann im Menschen alle Gefühle auslösen. Alle. Von Traurigkeit bis Fröhlichkeit, vom Leben bis zum Tod. Sie wissen, dass Musik viele in den Tod getrieben hat. Der "Traurige Sonntag", eine Romanze aus Ungarn, hat zu sehr vielen Selbstmorden geführt. Also ich will damit jetzt nicht sagen, dass Musik töten kann. Musik kann auch keine Kinder zur Welt bringen. Aber Musik kann alle Gefühle wiedergeben, zu denen der Mensch fähig ist.
Glauben Sie, dass Sie je an einen Punkt kommen, an dem Sie der Musik überdrüssig werden, oder wird das nie passieren?
Doch, man wird auch einer Musik, die man sehr gerne hat, überdrüssig. Und zwar wenn man eine sehr schlechte Wiedergabe hört. Was ich auch ganz schlecht finde, ist diese permanente Berieselung, die heutzutage leider auch bei uns in Österreich sehr verbreitet ist. Wo auch immer Sie hingehen, ob in ein Restaurant oder ein Geschäft, ja sogar im Finanzamt wird leise aber hörbar und störbar Berieselungsmusik gespielt. Das kann einen aggressiv und ablehnend gegenüber Musik machen. Musik soll man bewusst und nicht zufällig hören, nicht nebenbei. Mindestens so aufmerksam, wie man bei einem Gespräch zuhört.
Ihre Sendung kann also auch dazu anleiten, wieder genauer zuzuhören?
(Lacht) Ich hoffe, dass man dort nicht nur hingeht um mich zu sehen, sondern dass man auch zuhören wird.
Text: Claudia Gschweitl
Mit Unterstützung der PRIVAT BANK AG der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.
Service
"Apropos Musik": Ioan Holender im Gespräch mit Alexander Wrabetz
Montag, 6. September 2010
19:30 Uhr
Großer Sendesaal
Link:
PRIVAT BANK der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich