Live@RKH: Sterzinger Experience & Playbackdolls
Stefan Sterzinger ist kein Unbekannter im österreichischen Musikleben. Mit seiner Band Franz Franz & The Melody Boys sorgte er bereits in den achtziger Jahren für Aufhorchen. Nun hat er seinen eigenen Worten zufolge einen "gänzlich neuen Sound im Rock'n'Roll" im Sinn, "der so tut, als hätte es ihn immer schon gegeben".
Man könnte es auch plakativer formulieren: Ich habe die Zukunft des Wienerlieds gesehen, und sie heißt Sterzinger Experience. Denn was der 48-jährige Entertainment-Veteran aus seinen Hirnwindungen zaubert und parallel dazu aus seiner Quetsch'n, definiert ein ganzes Genre neu. Postmodern. Zeitgemäß. "Seinen Auftritt einfach als eine Darbietung von Wienerliedern der Gegenwart zu beschreiben, wäre zwar nicht falsch, aber treffend beschreiben würde man seine Musik, seine Geschichten und seinen Vortrag dadurch nicht", merkte ein Berliner Journalist an. Und griff zu Etiketten wie "Dada-Chanson", "Schmäh-Tango" oder "alpenländischer Operetten-Folk". Nachsatz: "Die verbreitete Stimmung ist zu stark durch intelligente Ironie und subtile Herzlichkeit dem Publikum gegenüber geprägt, um in dumpfe Dauermelancholie oder gar Misanthropie zu verfallen."
Dass die Sterzinger Experience ihre Erstlings-CD "Rock'n Roll" betitelt, ist ein ernsthafter Spaß. Mit Lothar Lässer und Martina Winkler wird Mastermind Stefan Sterzinger von zwei weiteren Quetsch'n-Profis flankiert, Franz Schaden am Bass und Jörg Mikula am Schlagzeug legen ein swingendes Fundament. Und dann wäre da noch der Geiger Alexander Gheorghiu - er liefert das Schmalz, die Süße, den finalen Zuckerguss.
Sterzinger Experience steht es gut, die Wiener Attitüde zu bemühen, um diese in ihrer Klischeehaftigkeit gleich wieder zu durchbrechen. Nicht zuletzt, indem ihr Hauptakteur zwischendurch auch mal Wienerisch mit amerikanischem Akzent singt. Zelebriert werden eigene Kompositionen, Neuvertonungen und Covers zwischen Konrad Bayer, H. C. Artmann und Hans Hölzel alias Falco.
"Extended Schrammelklang" ist ein programmatisches Zauberwort, Rock'n'Roll ohne Coca Cola die Formel und "Crossover" schon lange kein Thema mehr. In ein und demselben Stück der Sterzinger Experience erklingen Klassik und Breakbeats, Improvisation und Country, Jazz und Heurigenlied. Wenn man sich darauf einlässt, ist man rettungslos verloren.
Dabei wirken der Meister und sein Ensemble bei ihren Höllenritten ganz zwanglos: "Sterzinger spielt nicht. Mal arbeitet er die Worte, die Töne, die Aussage unter Stirnschweiß aus sich und seinem Instrument heraus, mal scheint er in aller Leichtigkeit er selbst zu sein und teilt sich und seine Inhalte dem Publikum mit, indem er einfach plaudernd musiziert." Hinterhältig. Charmant. Wunderbar.
Ähnlich facettenreich und ungezwungen kommen die Playbackdolls um die Ecke gebogen. "Out of the Blue" heißt folgerichtig ihr Debütalbum. Auf ihm beweisen die Musiker/innen rund um die charismatische und äußerst wandelbare Sängerin Tini Trampler und den vielseitigen Elektroniker und Multiinstrumentalisten Stephan Sperlich, welch enorm kreatives Potenzial sie zu entfachen in der Lage sind.
Mit einem Hauch von Marlene Dietrich, Hildegard Knef oder Element of Crime und sehr emotionalem Lebensgefühl ruft diese Musik zu Beweglichkeit in den Gängen und Ganglien der eigenen Gehirnschale auf. Gleichzeitig haftet der Band ein ganz eigener, fein gesponnener Charme an. Dieser definiert sich einerseits über die facettenreiche und dabei immer berührende Stimme der Leadsängerin, andererseits über das Cello und die elektronischen Klangspielereien Stephan Sperlichs.
Das energetische und zugleich zurückhaltende Spiel des Schlagzeugers Erwin Schober gibt dem Gebräu einen besonderen Groove. An den sechs Saiten, wahlweise Banjo oder Gitarre, steuert Florian Wagner rhythmische und melodische Akzente für die bewusst disparat angelegten Songs bei. Akkordeonist Tino Klissenbauer macht die Sache atmosphärisch rund, als Special Guest beim Konzert im RadioKulturhaus ist Trompeter Bernhard Rabitsch mit dabei.
Auch Tini Trampler (Die Dreckige Combo) und Stephan Sperlich (78plus, Mann Über Bord, Blind Idiot Gods) sind, wie Kollege Sterzinger, keine Unbekannten mehr im Wiener Musikleben. Einst hat man in einem fragwürdigen Etablissement zu frühmorgendlicher Stunde zusammengefunden, heute singt man - ein Herz und eine Seele - "If I'd finally love you, I'd be gone". Es ist die anarchistische Dialektik, der stete Wechsel von tiefsinnigem Gedankengut zu eingängigen Melodien, der Spannung, Witz und Musikalität jenseits des Notenblatts erzwingt.
Text: Walter Gröbchen
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Eine Veranstaltung in Kooperation mit "Der Standard", "The Gap", FM4 und Ö1. Powered by Ottakringer.
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Live@RKH: Sterzinger Experience & Playbackdolls
Donnerstag, 9. Juni 2011
20:00 Uhr
Großer Sendesaal
Sterzinger
Playbackdolls