"Diagnose Jazz" - August Zirner & Das Spardosen Terzett

Wien-Premiere eines literarisch-musikalischen Erfolgsprogramms!

Der Theater- und Filmschauspieler August Zirner kombinierte Kapitel aus "But Beautiful", dem unorthodoxen Buch des Engländers Geoff Dyer, mit Auszügen aus Charles Mingus’ Autobiografie "Beneath The Underdog" und Erinnerungen von Mingus’ Witwe Sue zu einem Textarrangement.

Das Essener Spardosen-Terzett improvisierte dazu inspiriert über Jazzstandards. Zirner selbst griff zur Querflöte und überzeugte als Jazzmusiker. Das Programm kommt seit 2008 erfolgreich in Deutschland zur Aufführung, jetzt war es erstmals in Wien zu sehen.

August Zirner im Interview mit Claudia Gschweitl:

Mit ihrem literarisch-musikalischen Programm "Diagnose: Jazz" sind Sie erstmals in Wien zu Gast. Was darf sich das Publikum erwarten?

Es ist kein Musical, es ist keine Lesung, es ist kein Theaterspektakel – es ist ein "Jazzical". Es beginnt mit Debussy und endet mit Debussy und dazwischen entwickelt sich sprachlich und musikalisch der Jazz. Es ist, ohne dass ich es eigentlich wollte, auch ein bisschen eine Geschichte des Jazz. Ich habe das Glück, dieses wundervolle Buch "But Beautiful" von Geoff Dyer gefunden zu haben, aus dem ich zitiere, darin sind literarische Texte über Jazzmusiker. Im Speziellen geht es um das Leben von Charles Mingus, Thelonious Monk und Rahsaan Roland Kirk. Es ist also auch eine Art "Biographical".

Wann haben Sie denn bei sich selbst den Jazz diagnostiziert?

Ich habe eigentlich zuerst den Blues entdeckt, relativ bald nach dem Tod meines Vaters. Der Blues war eine Form, die ich sehr mochte, weil sie scheinbar sehr simpel ist: Ein C5-Akkord, ein nachvollziehbarer Aufbau, die Bluestonleiter ist leicht zu handhaben. Und aus dem Blues heraus bin ich in die Rockmusik reingekommen. Weil ich eben jung war und auf einer Bühne stehen und von den Mädchen bewundert werden wollte. Also ganz simpel. Und dann habe ich, bitte glauben Sie mir das, auf der Blockflöte in einer Blues-Folk-Band gespielt. Ich habe mich sehr mit Ian Anderson und Jethro Tull beschäftigt und versucht, die Riffs von Ian Anderson auf der Flöte nachzuspielen. Den Jazz verdanke ich eigentlich meinem Lehrer Jim McNeely, der meiner Mutter gesagt hat, sie muss mir die Platte "I Talk With The Spirits" von Roland Kirk besorgen. Da hört man, wo Ian Anderson seine Flötentechnik her hat.

Sie haben die Querflöte einmal als "Seeleninstrument" beschrieben. Wie ist das zu verstehen?

Im Grunde ist das jedes Instrument. Aber bei der Flöte ist im Gegensatz zu anderen Instrumenten kein Blättchen dazwischen, das ist reine Umsetzung von Atem. Und ich gehe davon aus, dass der Atem sehr viel mit der Seele zu tun hat. Meine Frau sagt immer, wenn ich Querflöte spiele hat sie mich am liebsten, weil sie dann meine Seele hört und vor allem quassele ich dann nicht so viel.

Als Kind wollten Sie eigentlich Tenor werden.

Ja, das ist wieder etwas anderes. Da muss ich weiter ausholen. Mein Vater hatte eine Opernschule in Amerika. Man muss wissen, mein Vater saß in Wien zusammen mit Hans Weigel, Georg Knepler und Boris Blacher auf der Schulbank. Alle diese vier Herren, also Knepler, weil er Kommunist war und Blacher und mein Vater, weil sie Juden waren, mussten Österreich verlassen. Mein Vater ist nach Amerika emigriert und hat in der Armee Marschmusik gespielt. Und vermutlich auch Jazz. Auf jeden Fall war mein Vater dem Gershwin sehr zugetan. Und später hat er diese Opernschule gegründet und ich habe als Kind auf der Bühne unter seinem Dirigat Kindersopran gesungen, beispielsweise den Harry in "Albert Herring". Auch da war es so, dass ich auf der Bühne stehen und Anerkennung und Liebe vom Publikum bekommen wollte, also bereits eine Frühphase des neurotischen Bühnendaseins.

Und warum haben Sie sich letzten Endes für die Schauspielerei entschieden?

Weil man es da leichter hat, weil man keine Partitur lernen muss, dachte ich zumindest. Ich bilde mir nichts ein, ich habe zu großen Respekt vor dem, was ein Musiker investieren muss an Hingabe, Ausbildung und Zeit. Und ich gebe zu, ich liebe die Sprache.

Sie sind in Illinois aufgewachsen und haben dann in Wien Schauspiel studiert. Wie ist heute Ihre Beziehung zu Wien?

Ich bin Österreicher, deshalb habe ich ein sehr neurotisches Verhältnis zu Wien. Ich bekomme manchmal so merkwürdige Panikattacken. Mich macht die Bereitschaft zur Verdrängung manchmal ein bisschen nervös, um es genauer zu sagen. Es ist eine absolut emotionale Beziehung. Klar, es ist die Stadt meiner Eltern und ich komme natürlich ab einer gewissen Zeit nie um den Punkt herum, dass meine Eltern Wien verlassen mussten. Als ich vor 15 Jahren in Wien im Musikverein die deutschsprachige Erstaufführung von der Kaddisch-Sinfonie von Bernstein gemacht habe, habe ich gedacht: Wie schade, dass mein Vater nicht im Zuschauerraum sitzt. Das hätte ihm, glaube ich, sehr gut gefallen.

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit "Die Presse".

Service

"Diagnose Jazz" - August Zirner & Das Spardosen Terzett
Samstag, 3. März 2012
19:30 Uhr
Großer Sendesaal
Link: Das Spardosen Terzett

Buchtipps:
Sue Mingus, Tonight at Noon - Eine Liebesgeschichte. Aus dem Englischen von Conny Lösch, Hamburg 2003, Edition Nautilus (www.edition-nautilus.de)
Charles Mingus, Beneath the underground – Autobiographie. Aus dem Englischen von Günter Pfeiffer, Hamburg 2003, Edition Nautilus
Geoff Dyer, But beautiful. Ein Buch über Jazz. Aus dem Englischen von Matthias Müller, S. Fischer