Attwenger: Clubs

Das international erfolgreiche Duo präsentierte sein achtes Album "Clubs" und die zugleich erscheinende DVD im Konzert.

Attwenger

(c) Gerald von Foris

Im Großen Sendesaal führten Schlagzeuger Markus Binder und Akkordeonist Hans-Peter Falkner als produktives "Definitionsverwirrungsinstitut" – zwischen Englisch und Oberösterreichisch, zwischen Turbopolka und Groove, Speedlandler und Rock'n'Roll – ihren fixen und eigensinnigen Platz in der Musiklandschaft vor Augen und Ohren.

Attwenger im Interview mit Susanne Berndl…

Einihau’n is‘ supa

Wie entstehen eure Stücke? Entwickelt sich die Musik aus der Rhythmik der Sprache oder gibt’s zuerst die Musik, die dann mit Text versehen wird?
Markus Binder: Der Zusammenhang Sprache, Sprachrhythmus und Sound ist einer, der von Anfang an eine große Rolle gespielt hat. So kompliziert ist es bei uns ja nicht. Wir haben zwei Instrumente – und Sprache. Es geht eher darum, im Material eine Melodie mit guter Hookline oder einen Text mit Refrainqualitäten zu finden. Nach 20 Jahren müssen uns die Stücke immer wieder selbst Spaß machen beim Spielen.

Zur Verbindung zwischen der englischen Sprache und dem oberösterreichischen Dialekt: Ihr habt einmal gesagt, diese bezieht sich auf die indogermanische „Ursuppe“. Ist diese Vermischung auch als transnationales Verständigungsprojekt gedacht?
MB: Es geht dabei eher um phonetische Einfachheit. Ich finde, es führt zu einer Internationalisierung und Vereinfachung der deutschen Sprache, wenn englische Begriffe hereinkommen. Sprachen sind durch Migration und Medien immer von einander beeinflusst worden. Die englische Sprache denkt einfacher, ist handsamer – und phonetisch ist man sehr nahe an unserem Dialekt dran, das mischt sich sehr easy. Live singe ich immer wieder englische Sachen rein, das fällt gar nicht auf, Dialekt und Englisch sind dann von der phonetischen Botschaft her eins.

Muss man deutsch verstehen, um Attwenger zu verstehen?
MB: Nein, die Hamburger sagen, sie verstehen Englisch besser als uns.
HPF: Die Kärntner verstehen uns auch nicht ... Oder ein Vorarlberger tut sich auch schwer. Aber ein Berliner als Deutscher, der im Norden wohnt, versteht uns besser als ein Südösterreicher– das ist unabhängig von Grenzen.

Passiert die Nivellierung der Sprachen absichtlich, damit man gar nichts versteht, weil man die Botschaft sprachlich nicht festlegen kann?
MB: Das ist ein guter Gedanke, weil das auch eine gewisse Ortlosigkeit bringt. Wir waren im März 2012 in den USA auf Tournee, wir waren auch in Simbabwe, in Vietnam. Ob ich aus Bolivien komme oder aus Österreich ist ja einem Vietnamesen wurscht – mehr oder weniger. Für das Publikum hat es einen exotischen Charakter, wenn wir als Österreicher in Vietnam oder Sibirien auftreten. Die Sprache ist dann völlig egal, da geht’s nur mehr drum: Kommt da was rüber? Und das funktioniert eigentlich immer. Überseekonzerte sind wichtig für uns, weil sie ein immer neues Feedback bringen.

Man kann unter euren Stücken implodierende und explodierende festmachen. Gerade eure frühen Aufnahmen gehen in Richtung punkig explodierende Volksmusik, daneben gibt’s die "einwendigeren", ruhigeren Stücke. Könnt ihr diese beiden Kategorien auch festmachen?
MB: Wenn man’s ganz grob vereinfachen will, könnte man’s auf diese zwei Kategorien runterbrechen, aber da gibt’s zum Beispiel noch die dazwischen liegende Kategorie der groovigen Stücke. Diese Balance zwischen schnellem, mittlerem und langsamem Tempo, die insgesamt für einen lässigen Groove sorgt, ist wichtig sowohl für eine CD-Zusammenstellung als auch für eine Liveprogramm-Zusammenstellung. Unser Programm ist grad eher im "uffzack"-Bereich, mehr als vor zehn Jahren. Anfang des Jahrtausends waren wir ziemlich soulig, die "Sun"-Platte ist viel "einwendiger", langsamer und gemütlicher als unser letztes Album "Flux" – da ist wieder mehr Punch drinnen. Das sagen auch unsere Veranstalter: Vor zehn Jahren haben wir schon geglaubt, ihr könnt bald nicht mehr und jetzt reißt ihr wieder alles nieder.
HPF: Einihau’n is’ supa, so muss man es ganz klar sehen. Obwohl natürlich schon wieder ein paar L’amour-Hadscher hergehören. Schöne Melodien sind auch wichtig.
MB: Das ist für’s Publikum auch super.
HPF: Das "Einwendige", wie du sagst, is ja schon eine sehr tolle Musikform.

Bei "Wama liaba", einem eurer bekanntesten Stücke, kann man sich die 15 Minuten, die es dauert, durch den Sing-Sang und den Rhythmus fast in einen Trancezustand tanzen. Wie ist euer Bezug zu Meditation?
MB: Ich meditiere, mache Qigong seit zehn Jahren und Tai Chi, habe mich mit diesen verlangsamten Bewegungs- und Denkabläufen beschäftigt. Aber – als Ergänzung – diesen Meditationsaspekt gibt es auch im Techno. Dieses stundenlange auf einem Beat Dastehen und Dahinfilmen ist auch eine Art Meditation, die halt eine "böller-böller"-Meditation ist (lacht), aber die hat funktioniert. Und der andere Einfluss, die andere Tradition ist zum Beispiel die, die wir in Simbabwe gesehen haben. Thomas Mapfumo, den wir live in der Nähe von Harare gehört haben, steht mit dem Rücken zum Publikum und singt, da sitzen zehn Leute, die spielen alle Mbira (Daumenklavier; Anm.), dann Gitarre, Bass, Schlagzeug – das geht endlos dahin, endlos dahin. Meditation, Gedanken leeren oder Gedanken laufen lassen ist ein wichtiger Aspekt, den aber auch die indische Musik hat. Die baut Flächen auf, und diese Flächen ermöglichen dir, dass du nicht nur rein kognitiv zuhörst, sondern dich mental heineinfallen lassen kannst. Das betrifft die Musiker beim Spielen und das Publikum beim Zuhören.

In eurem Rider steht "Konzerte ausnahmslos unbestuhlt" mit drei Rufzeichen. Wie kommt es, dass ihr nun im Großen Sendesaal des RadioKulturhauses eure neue CD/DVD präsentiert?
HPF: Das ist eh eine Herausforderung. Eigentlich ist es uns lieber, wenn die Leute sich bewegen können. Im RadioKulturhaus ist das etwas anderes, da weiß man von Haus aus das ist so, da hat die Musik eine konzertante Form als solche. Im Chelsea (wo das Interview geführt wurde; Anm.) ist sicher mehr Party und Reindreschen, im RadioKulturhaus wird das Publikum mehr als Zuhörer fungieren, da werden dann die Ohren viel größer sein als das Tanzbein. So muss man das sehen.
MB: Und es passt jetzt, im RadioKulturhaus zu spielen, weil die neue Produktion "Clubs" eine DVD beinhaltet, die wir auch präsentieren werden – ein Tourvideo von der "Flux"-Tour und der Amerika-Tour.

Welche neuen musikalischen Einflüsse bringt eure neue CD "Clubs"?
MB: Die Idee, ein Live-Konzert nicht 1:1 abzubilden, sondern weitgehend unbekannte Mitschnitte von einmaligen Auftritten zu bringen. Ein Konzert mit Fred Frith oder ein Auftritt mit Harri Stojka im Vorjahr zum Beispiel. Was bis jetzt nur das Publikum vor Ort erlebt hat, wollen wir im Rahmen der neuen Live-CD bringen. Damit hört man von Attwenger Ungewohntes – weil wir mit diesen Leuten auch selbst anders spielen.
HPF: Mit dieser Live-CD wird das Genre Live-CD neu definiert. Das ist nicht so wie bei den Rolling Stones oder bei Deep Purple "Made in Japan": Nummer, Applaus, Nummer, Applaus, fertig. Sondern lauter kleine, verschiedene Teile werden neu zu einem Fleckerlteppich, einem Hörbild.

Das Interview führte Susanne Berndl.

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Eine Veranstaltung mit Unterstützung der PRIVAT BANK AG der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich.

Service

Attwenger: Clubs
Freitag, 22. und Samstag 23. März 2013
20:00 Uhr
Großer Sendesaal

Attwenger