Bild von Letizia De Maigret

(c) Galerie Ernst Hilger

Kunstraum Radio: Letizia de Maigret

Seit seiner Gründung macht das ORF RadioKulturhaus das akustische Medium Radio auch mit anderen Sinnen erlebbar. Mit wechselnden Ausstellungen erweitert es den akustischen Raum zu einem visuellen und haptischen.

Folgerichtig spielte von Anfang an die Bildende Kunst eine wichtige Rolle bei der Gestaltung: von der von Johann Garber bemalten Ohr-Skulptur vor dem Eingang des ORF RadioKulturhauses bis zu Oswald Tschirtners Kopffüßler-Zeichnungen im RadioCafe und wechselnden Ausstellungen aufstrebender Künstler:innen im Foyer des Großen Sendesaals.

Ab Oktober 2023 ist die Ausstellung THE DISORDERED LANDSCAPE von Letizia de Maigret zu sehen.

Ausgebildet an der Parsons School of Design in New York und am Central Saint Martins College of Art and Design in London hat Letizia de Maigret schon sehr früh ihre künstlerische Forschung in Richtung einer ontologischen Suche ohne Antwort oder Ende ausgerichtet, indem sie sich mit den großen Fragen, die die Menschheit bewegen, verbindet: die Suche nach dem Sinn, dem Ursprung, der Beständigkeit und der Veränderung, die Suche nach der Freude, wobei das universelle Mysterium für sie nicht ohne eine festliche Dimension ist.
Stark von der Philosophie beeinflusst, schlägt die Künstlerin in ihren Kunstwerken eine Reise der Weisheit vor, eine Erfahrung der Überwindung von Gegensätzen, wobei sie im künstlerischen Objekt die anfängliche Dichotomie des apollinischen und dionysischen Prinzips widerlegt, die Nietzsche in der „Die Geburt der Tragödie“ beschwört.

Indem De Maigret der dialogischen Dimension der Kunst den Vorzug gibt, zögert sie nicht, ihre Kunst zu einem mächtigen Echoraum für die zugrunde liegenden Fragen sowie für andere künstlerische, literarische und philosophische Ansätze zu machen. Sie ruft unablässig das Werk und das Denken von Philosophen, Künstlern, Dichtern und Wissenschaftlern auf, die mit ihren eigenen Fragen in Resonanz stehen. Tief geprägt von der Poesie der Welt, schlägt sie als Antwort die plastische und physische Materialität des Objekts vor.

(c) Galerie Ernst Hilger

Letizia de Maigret: Blue Orchid

In ihren neuesten Werken LIQUID LANDSCAPES reflektiert die Künstlerin über den bedrohten Zustand der Welt als Folge der Industriellen Revolution. Sie demontiert ihre von japanischen Siebdrucken inspirierten Werke und bricht die Zen buddhistische, harmonische Darstellung der Natur. Dabei spielt Letizia de Maigret auch mit der Metapher „der Flüchtigen Moderne“, die von dem Philosophen Zygmunt Bauman geprägt wurde und unsere heutige Gesellschaft als eine in ständiger Bewegung, in der der Wandel die einzige Konstante ist, widerspiegelt.
Als inhärentes Mittel zur visuellen Interpretation des Konzepts „der Flüchtigen Moderne“ verwendet Letizia de Maigret chinesische Tinte und die Zen buddhistische Tuschetechnik Haboku-Sansui, die die Ideen von Veränderung, Spontaneität und Vergänglichkeit verkörpert. Mit der Tinte, die intuitiv auf die Leinwand gespritzt wird, malt die Künstlerin sowohl abstrakte als auch dynamische Landschaften von Körpern und Wellen. Indem das Trägermaterial geteilt, gestört oder durcheinandergebracht wird, so geschieht dies auch mit dem Motiv. Die Künstlerin prangert die Realität der sich abzeichnenden Umweltkatastrophen an. Wenn die Flora als ein Symbol für Erneuerung und Hoffnung steht, so erinnert das Gehirn an die Gefahren, die die Informationsrevolution über die Menschheit gebracht hat.

In der Serie THE PALIMPSESTS verwendet Letizia de Maigret Zeitungsausschnitte und überarbeitet sie, um Reaktionen über den Zustand der Welt auszudrücken.

Mit COSMIC HORIZONS fand sie in Form eines wissenschaftlichen Ansatzes Material, rund um die Entdeckung der Gravitationswellen im Jahr 2015, die die Existenz Schwarzer Löcher bewiesen, für eine neue dialogische Inspiration.
Letizia erforscht Schwarze Löcher und ihre Horizonte in ihren geometrischen, metaphysischen und psychologischen Dimensionen. Sie "erschafft" solche, indem sie flüssige Pigmente auf rotierende Trägermaterialien aufträgt und so die transzendentalen Rotationskräfte des Universums veranschaulicht: die COSMIC HORIZONS sind das Ergebnis einer bildlichen und kinetischen Phänomenologie, die auf der Zentrifugalkraft des Coriolis-Effekt basiert. Die daraus resultierende visuelle Metapher lädt zu einer Vision über die - unbekannte - Natur in ihrer Singularität ein, die durch das Schwarze Loch geschützt wird und zeugt von einer neuen Bedeutung, die vielleicht zu einer ontologischen Umkehrung führt: eine Vervielfachung unseres gewohnten Horizonts und seine dynamische Umkehrung.
Indem sie ihren Glauben an den Parnass bekräftigt, an ein Erhabenes, das die Suche nach Wissen und die Bewunderung des Geheimnisses versöhnt, sind COSMIC HORIZONS die Augen der Seele der Dichter, die in den Nebeln der Zeit begraben sind!?

"Ein seltsamer Regenbogen umgibt diesen dunklen Brunnen, Schwelle des alten Chaos, dessen Nichts der Schatten ist, Spirale, die die Welten und die Tage verschlingt!“
Gérard de Nerval, Christus mit Olivenbäumen.