Klassische Verführung

Das ORF Radio-Symphonieorchester Wien spielte unter der Leitung von Mirga Gražinytė-Tyla Werke von Mieczyslaw Weinberg und Jean Sibelius; Wissenswertes zu den Stücken war von Teresa Vogl und – erstmals – Christoph Becher, Intendant des ORF RSO Wien, zu erfahren.

Teresa Vogl und Christoph Becher

Teresa Vogl und Christoph Becher

(c) Ursula Hummel-Berger

Das ORF RSO Wien spielte die Suite Nr. 4 aus dem Ballett "Der goldene Schlüssel" op. 55d von Mieczyslaw Weinberg und den 1. Satz aus Jean Sibelius' Lemminkäinen-Suite op. 22.

Seit 2003 bringen das ORF RadioKulturhaus und das ORF Radio-Symphonieorchester Wien mit der "Klassischen Verführung" E-Musik-Werke in Diskurs und Klang näher. Christoph Becher, Intendant des ORF RSO Wien, wird ab sofort zusammen mit der Ö1 Musikredakteurin Teresa Vogl die Moderation übernehmen. Ein Gespräch zwischen den beiden Moderatoren:

Christoph Becher: Unsere Reihe heißt "Klassische Verführung". Wie kann Dich Musik verführen?

Teresa Vogl: Schwer zu sagen. Am ehesten, wenn Werk, Interpretation und Setting zueinander passen.

Becher: Setting?

Vogl: Wo erlebe ich die Musik, in welcher Gesellschaft, bei welcher Tätigkeit? Sitze ich still im Konzertsaal oder bin ich in Bewegung …

Becher: Also verführt weniger die Musik an sich als die Situation, in der sie erklingt?

Vogl: Manche Musik lässt einen aufspringen und tanzen oder zumindest mitwippen. Bei der Moderation muss ich mich davor aber in Acht nehmen (lacht).

Becher: Oder nimm den Gesang, bei dem Außermusikalisches mitschwingt: Stimme und Text. Da kann ich verführt werden – indem ein Heimatgefühl entsteht, ich mich verstanden fühle, sich emotionale Nähe herstellt. Etwas wird angeschlagen, das im Laufe eines musikalischen Lebens tief in uns gelegt wurde. Aber wir Moderatoren: Wozu wollen wir verführen?

Vogl: Vor allem zu einem erfüllenden Konzerterlebnis. Eines, das nicht nur gut erklärt, sondern auch angenehm präsentiert wird, aber nicht banal, nicht einschmeichelnd, sondern kompetent und charmant. Im Idealfall passiert das in der "Klassischen Verführung", in der wir das Werk zuerst "zerlegen" und mit Hilfe des RSO wieder zusammensetzen, sodass nicht die reine Analyse der letzte Eindruck ist, sondern das bewusster erlebte Gesamtgeschehen.

Becher: Bist du Lehrerin, Reiseleiterin oder Reisebegleitung?

Vogl: Eine Mischung aus Reiseleitung und Reisebegleitung. Die nach einer gelungenen Einführung das Konzert genießt.

Becher: Ich bin, fürchte ich, mehr Lehrer. Der im Übrigen immer ganz hilflos ist, wenn jemand im Gespräch seine Aussagen über Musik mit "Ich verstehe ja nichts von Musik …" einleitet.

Vogl: Das klingt nach Schutz vor Widerspruch und Beurteilung.

Becher: Genau. Eine Rückzugsposition. Aber dahinter steckt die weit verbreitete Meinung, dass es etwas zu verstehen gäbe an der Musik. Was aber kann das sein?

Vogl: Spontan würde ich sagen, das ist wie bei einer Zwiebel, oder, kulinarischer, einer Artischocke, deren Herz man sich Schicht für Schicht nähert: Ganz außen überwiegt das reine Schwelgen im Klang, danach kommt die kognitive Ebene, die Analyse usw.

Becher: Besteht der Auftrag der Verführung dann darin, noch eine zweite oder vierte Schicht freizulegen?

Vogl: Wenn man es so auffasst, dass keine Schicht besser ist als die andere, dann ja.

Becher: Ich glaube, Musik trifft die Menschen auf drei Ebenen: einer kognitiven, einer emotionalen und einer sinnlichen. Daher würde ich versuchen, unsere Zuhörer/innen auf allen drei Ebenen zu verführen, oder besser: sie dazu zu verführen, alle drei Ebenen beim Hören zuzulassen.

Vogl: Mein Zugang ist intuitiver. Der dramaturgische Bogen muss stimmen, sprachlich, rhythmisch, erzählerisch. Aber nicht komplett durchgeplant. Wenn es am Spontansten war, war es am Gelungensten.

Becher: Das hat Dich nie dazu gebracht, auf die Vorbereitungen zu verzichten?

Vogl: Auf keinen Fall. Ich möchte, dass die Leute neugierig bleiben und dafür braucht es neben einer gewinnenden Präsentation auch eine fundierte Grundlage.

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit dem ORF RSO Wien und "Die Presse".

Service

Klassische Verführung
Mittwoch, 13. Jänner 2016
19:30 Uhr
Großer Sendesaal