Politik & Emotionen
(c) ORF Joseph Schimmer
Wenn Emotionen im Bereich des Politischen aufkommen, dann empfinden wir das meist als eine Störung. Je heftiger die Emotionen sind, desto störender. Und tatsächlich können wir in der Geschichte verfolgen, wie Gefühle – Gefühle wie etwa Wut, Hass oder Aggression – viel Schlimmes angerichtet haben. Genauer gesagt: Viel Schreckliches in der Geschichte – Unterdrückung, Ausgrenzung, Verfolgung bis hin zu Kriegen, ja Genoziden – hat seinen Auslöser, seine Triebkraft in solchen Gefühlen. Emotionen sind gewissermaßen die Atome der Schreckensgeschichte. Zugleich aber stehen Gefühle auch am Ursprung von Fortschritt, Befreiung, Demokratisierung – Gefühle wie Hoffnung, Empathie aber auch Zorn gegen Ungerechtigkeit.
Mit Beginn des kommenden Jahres werden wir versuchen, das Feld der Emotionen in der Politik, das Feld der politischen Emotionen zu vermessen. Dazu gehört die Fragestellung, welchen Stellenwert Gefühle in einer Gesellschaftsordnung wie der Demokratie haben. Ist eine Politik der Gefühle nur eine Gefahr, eine Bedrohung für die Demokratie – oder trägt es einer selbstverständlichen Disposition, also der Tatsache, dass wir empfindsame Wesen sind, Rechnung? Was aber ist, wenn Emotionen ohne Reflexion, ohne Korrektiv sind, wenn sie also zu gesellschaftlichen Stimmungen werden? Wenn sie anschwellen, wenn sie die Politik bestimmen? Oder wenn sie, andersherum, von der Politik geschürt oder instrumentalisiert werden? Emotionen sind enorme politische Machtmittel. Und zugleich sind sie volatil, flüchtig, veränderbar.
Politik ist wesentlich eine affektive, eine emotionale Kommunikation. Eine Art der Kommunikation, die im Internet ihren Bestimmungsort gefunden zu haben scheint. Denn die sozialen Medien sind Stimmungsmedien. In unserem Nachdenken über Politik und Gefühle werden wir uns also auch dem Internet zuwenden und der Frage, wie dieses in die Gefühlsökonomie der Gesellschaft eingreift.
Ein besonderer Aspekt dieses Themas sind die sichtbaren kulturellen Zeichen. Denn diese sind Zeichen einer emotionalen gesellschaftlichen Bindung. Vom Kopftuch bis zum Dirndl werden diese zu Symbolen – zu emotional aufgeladenen Zeichen also, die ein ideales Feld für Affektpolitik abgeben. Was bedeutet etwa das Wiederauftauchen der Tracht – auch und vor allem im urbanen Raum? Was hat es mit der Wiederkehr des Heimatbegriffs auf sich? Ist dies Ausdruck einer alten Stimmungslage – oder haben diese Zeichen und Begriffe heute eine neue Bedeutung?
(c) Schrotthofer Fotomuerz
Schauspieler Miguel Herz-Kestranek sowie Volkskundlerin und Philosophin Elsbeth Wallnöfer sprechen mit Moderatorin Isolde Charim über "Trachten & Heimat".
Isolde Charim, geboren in Wien, studierte Philosophie in Wien und Berlin, arbeitet als freie Publizistin und ständige Kolumnistin der "taz" und der "Wiener Zeitung". 2006 erhielt sie den Publizistik-Preis der Stadt Wien, seit 2007 ist sie wissenschaftliche Kuratorin am "Bruno Kreisky Forum". In ihrem im Frühjahr 2018 erscheinenden Band "Ich und die Anderen. Wie der neue Pluralismus uns alle verändert" behandelt Charim Themenfelder von Politik und Integration über die Definition des Heimatbegriffs bis hin zu den Debatten um religiöse Zeichen.
Miguel Herz-Kestranek, Schauspieler und Buchautor, setzt sich als Schriftsteller, Kommentator oder Diskussionsteilnehmer immer wieder mit dem Thema Exil auseinander. Er bezeichnet sich selbst als "jüdischer Buddhchrist … der seine jüdischen Wurzeln, seine christliche Erziehung und seine buddhistischen Erkenntnisse lebt". Herz-Kestranek ist leidenschaftlicher Europäer – und zugleich glühender Österreicher, dessen Blick auf seine Heimat in guter österreichischer Tradition verzweifelt kritisch und sezierend sein kann, dessen scharfe polemische Äußerungen jedoch immer seiner großen Verbundenheit und Liebe zu Österreich entspringen.
(c) Peter M. Kubelka
Anzeige
Service
Politik & Emotionen
Donnerstag, 01. Februar 2018
19:00 Uhr
Großer Sendesaal
Eintritt: EUR 17,–
Ermäßigungen: ORF RadioKulturhaus-Karte 50%, Ö1 Club 10%
Video-Livestream
Miguel Herz-Kestranek