Im Zeit-Raum: Next Economy

Mit André Reichel ist einer der führenden Nachhaltigkeits-, Postwachstums- und Zukunftsforscher im deutschen Sprachraum zu Gast bei Johannes Kaup.

André Reichel

André Reichel

(c) Karlhochschule

Prognosen zufolge werden bis 2100 neun bis zwölf Milliarden Menschen auf der Erde leben. Gleichzeitig sinkt die Menge des pro Kopf verfügbaren Trinkwassers Jahr für Jahr. Seit 1990 wurden mehr als 120 Millionen Hektar Wald abgeholzt, das entspricht der Fläche von Südafrika. Auch der Kohlendioxidausstoß stieg weltweit um 62 Prozent, Tendenz immer noch steigend. Die Zahlen müssten eigentlich alarmieren. Aber die Welt ist weiterhin auf einem Wachstumspfad, als hätten wir einen zweiten Planeten in petto. Es braucht einen Systemwandel, gerade in der Art des Wirtschaftens. Darin spielt die Vorstellung einer "Next Economy" eine entscheidende Rolle. Diese ist gekennzeichnet von Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Postwachstum und einer "Kybern-Ethik". Diese werden die Gesellschaft und Wirtschaft in den nächsten Jahrzehnten prägen.


Alle Organisationen stehen vor der Herausforderung, in einem Umfeld zu wirtschaften, das gekennzeichnet ist von langfristig niedrigen ökonomischen Wachstumsraten und den Anforderungen eines zunehmend emissionsarmen und energieeffizienten Wirtschaftens. Stichwort: Low Growth, Low Carbon und Low Energy. Dieses magische Dreieck der Postwachstumsökonomie bedeutet für Unternehmen, unabhängiger vom Wachstum zu werden um unter ökologischen und sozialen Rahmenbedingungen sinnvoll und langfristig wirtschaften zu können. Das rückt aber den Zweck des Wirtschaftens neu in den Mittelpunkt: "Business as usual", Profit um jeden Preis – oder vielleicht doch sozial und ökologisch bessere Problemlösungen für Kunden und andere Stakeholder?
In einer Postwachstumsökonomie wird das klassische Innovationsdenken erweitert. Neuerungen können beispielsweise darin bestehen, die kernfossilen Energieformen, energie- und CO2-intensive Produkte und Dienstleistungen mittels "Exnovation" (Niko Paech) durch nachhaltige und erneuerbare zu ersetzen. Re-Manufacturing, Re-Design, Renovation, Imitation und Sharing sind Eckpunkte einer Post-Wachstumsökonomie. Eine zentrale Rolle dabei spielt die Digitalisierung, sowohl als soziales Phänomen, als auch als neue Form des Organisierens von wirtschaftlichen Aktivitäten abseits der klassischen Organisationen. Digitalisierung und Nachhaltigkeit werden zu einer "Sustainability 4.0" verschmelzen.

Handlungsleitend wird dabei die "Kybern-Ethik" werden. Das strategische Denken, Planen und Handeln von Organisationen in der Next Economy wird zu einem ethischen Denken, Planen und Handeln. Das bedeutet, dass die Unternehmensstrategien von der zugrunde liegenden ethischen Haltung – des Managements, der Organisation, des Produkts und seiner Wirkungen – nicht mehr zu trennen sind. In der Next Economy gilt der kybern-ethische Imperativ: "Handle stets so, dass die Handlungsmöglichkeiten für alle – für dich und deine Mitwelt – größer und nicht kleiner werden."

Prof. Dr. André Reichel ist seit 2018
Professor of International Management & Sustainability an der ISM International School of Management in Stuttgart. Er gilt als einer der führenden Nachhaltigkeits-, Postwachstums- und Zukunftsforscher im deutschen Sprachraum. Seine Forschungsschwerpunkte sind nachhaltige Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft, wachstumsresiliente Geschäftsmodelle und neue Erfolgsindikatoren. Zuvor war er Research Fellow am Europäischen Zentrum für Nachhaltigkeitsforschung der Zeppelin Universität (Friedrichshafen).

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Eine Veranstaltung in Kooperation mit der "Wiener Zeitung".

Service

Im Zeit-Raum: Next Economy
Montag, 19. Februar 2018
18:30 Uhr
Studio 3
Eintritt: EUR 17,–
Ermäßigungen: ORF RadioKulturhaus-Karte 50%, Ö1 Club 10%