Porträt von Aleida Assmann

JUSSI PUIKKONEN/KNAW WIKIMEDIA COMMONS

Aleida Assmann: Die Wiederaneignung der Nation – Erinnerung, Identität und Gefühle

Anlässlich der "Jan Patočka Memorial Lecture 2019" setzt sich die bekannte Literatur- und Kulturwissenschaftlerin mit der gegenwärtigen Verwendung des Begriffs der Nation auseinander.

‚Nation‘ mit ‚Nationalismus‘ gleichzusetzen, das ist naheliegend angesichts der verheerenden Exzesse von Gewalt, die der Nationalismus und vor allem der Nationalsozialismus im 20. Jahrhundert entfesselt haben. Das Erstarken rechter Parteien in Europa bestätigt heute die Sorge, dass von den Nationen wieder der Ausschluss von Minderheiten, Verfolgung und Gewalt ausgehen können. Aber Nationen bestehen nicht in einem Vakuum, sie existieren ebenso in liberalen Demokratien wie in autokratischen Regimen. Die Tabuisierung des Begriffs der Nation seitens links-liberaler Intellektueller und Politiker ist in dieser Situation problematisch, denn was die eine Seite verwirft, wird dann von der Gegenseite aufgenommen und besetzt.

Die bekannte deutsche Literatur- und Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann wurde für ihre Forschung zu Praktiken des kollektiven Erinnerns und Vergessens u.a. mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels sowie dem Max-Planck-Forschungspreis ausgezeichnet. Gastprofessuren führten sie an die Rice University Texas, die Eliteuniversitäten Yale und Princeton sowie die Universität Wien. Angesichts der aktuellen Flüchtlingsdebatte machte sie sich in ihrem jüngsten Buch für "Menschenrechte und Menschenpflichten" stark. In diesem Jahr hält die em. Professorin an der Universität Konstanz die Jan Patočka Gedächtnisvorlesung, die vom Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) 1982 ins Leben gerufen wurden, um an den bedeutsamen tschechischen Philosophen und Bürgerrechtsaktivisten Jan Patočka (1907–1977) zu erinnern.