Porträt von Olga Neuwirth

HARALD HOFFMANN

Kovacics Entdeckungen: Olga Neuwirth

Es mag fast widersprüchlich klingen: Die Pionierin der Neuen Musik ist zu Gast in einer Reihe, die auf "Entdeckungen" Bezug nimmt. Doch als eine der bekanntesten und erfolgreichsten Komponistinnen des Landes schlägt Olga Neuwirth seit über 20 Jahren immer wieder neue Wege ein.

Ernst Kovacic lädt sein Publikum dazu ein, ausgewählte Werke aus Olga Neuwirths Œuvre ebenso neu zu entdecken wie ein Stück ihres Kompositionsstudenten Marius Malanetchi. Denn seit Oktober 2021 unterrichtet Olga Neuwirth am Institut für Komposition, Elektroakustik und Tonmeister/innen-Ausbildung der mdw Komposition. Im Anbetracht der Vielfalt ihres Schaffens und in manchen Fällen auch der Größe und Komplexität ihrer Produktionen darf einem im Übrigen schwindeln. Dabei kann man der Komponistin nicht vorwerfen, nicht gleich zu Beginn gewissermaßen alles auf den Tisch gelegt zu haben. Wiener Festwochen, 1991: Das erste Musiktheater-Auftragswerk beruht auf Texten von Elfriede Jelinek, heißt "Körperliche Veränderungen" und nennt sich im Untertitel gleich einmal "Eine satirische Handtelleroper".

Aus Anlass der Uraufführung des bedeutend größer angelegten Musiktheaterprojekts "Bählamms Fest", ebenfalls gemeinsam mit Elfriede Jelinek entwickelt, entstand dann 1999 eine Ausgabe der Ö1 Sendung "Diagonal – zur Person Olga Neuwirth, Komponistin". Dort stellt Wolfgang Kos gleich zu Beginn zwei Fragen. "Ist Schönheit ein Ziel für Sie?" Die Antwort ist eindeutig: "Nein, der Begriff Schönheit ist mir noch nie eingefallen, wenn ich an meinen Schreibtisch gehe. Schönheit entsteht automatisch. Auch Rauheit ist Schönheit." Kos' zweite Frage: "Humor?" Antwort: "Also Humor würde ich das überhaupt nicht nennen, wenn dann Ironie, weil Ironie ist ein intelligenteres Lächeln."

Intelligent und wegweisend waren auch viele von Neuwirths kompositorischen Entscheidungen. So hat sie etwa in "Bählamms Fest" eine wichtige Rolle mit einem Countertenor besetzt, als das noch lange nicht Opern-Mainstream war. Ebenfalls Countertenören gewidmet, waren ihre Bearbeitungen des Song-Repertoires des von ihr hochgeschätzten Sängers Klaus Nomi. Nicht zuletzt durch ein besonderes Gespür für die Klangweite der menschlichen Stimme schien es nur eine Frage der Zeit zu sein, bis "Orlando" in Neuwirths Œuvre auftaucht, diese Geschichte von Virginia Woolf, in der eine Figur über Jahrhunderte hinweg lebt, dabei vom Mann zur Frau wird und dann doch nicht gänzlich im neuen Geschlecht aufgeht.

Olga Neuwirth ist vielfach geehrt, unter anderem mit dem Ernst-Krenek-Preis, mit dem großen österreichischen Staatspreis für Musik, mit dem österreichischen Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst oder mit dem Wolf-Preis. Für die Opernproduktion "Orlando", welche die allererste Auftragskomposition der Wiener Staatsoper an eine Komponistin darstellte, wurde sie mit dem prestigeträchtigen "Grawemeyer Award for Music Composition 2022" ausgezeichnet. Dabei gelang ihr das Kunststück, sowohl von der internationalen Presse wie vom Publikum gefeiert zu werden. Des Weiteren ist sie die Preisträgerin des internationalen Ernst von Siemens Musikpreis 2022.

In Kooperation mit der Tageszeitung "Die Presse".