Hubsi Kramar

(c) Karl Satzinger (Foto)/Susi von Hasen (Artwork)

Aus dem Archiv: Hubsi Kramar

Provokateur, Theatermacher und Schauspieler Hubsi Kramar wird bei Christian Reichhold und Regina Nassiri zu Gast sein und über seine Arbeit plaudern. Als weitere Gesprächspartnerin erwarten wir Universalkünstlerin Lucy McEvil.

Was heutzutage auf Europas Bühnen und hochrangigen Theaterfestivals als polit-aktivistische Performancekunst hoch im Kurs steht, hat er schon in den 70er Jahren praktiziert.

Er ist Trends nie nachgelaufen, er hat sie ausgelöst. Jahrzehntelang zwischen Hochkultur und Subversion oszillierend – ob an der Wiener Staatsoper oder dem legendären La-MaMa-Theater in New York, ob zwischen Theater in der Josefstadt, "Habsburg Recycling", der französischen Regie-Ikone Jérôme Savary oder etwa der berühmt-berüchtigten Drahdiwaberl-Kulttruppe. Und das schon zu einer Zeit, als die heutigen Hohepriester:innen der zeitgenössischen Politaktivist:innen-Szene nicht einmal noch geboren waren.
Auch im internationalen Filmbusiness ist er mit einigen starken Auftritten dabei. Etwa bei Stephen Spielberg in "Schindlers Liste" oder als grimmiger Killer in "Projekt: Peacemaker" sowie natürlich auch im deutschsprachigen Fernsehen als der schräge Polizeioberst Rauter im Österreich-Tatort.

Er war und ist ein Liebender, in allen Formen, die er je bedient und bespielt hat:
als Theaterdirektor, Schauspieler, Autor, Mentor, immer schon wichtiger Motivator und Förderer der Nachwuchs-Szene und Guru des Wiener Off-Theaters, zu einer Zeit, als es diesen Begriff bei uns noch gar nicht gab.

Lucy McEvil

Lucy McEvil (c) Jana Madzigon

Hubsi, wie er liebevoll genannt wird, war mit seinen schrägen Shows, Produktionen und Interventionen immer jenseits des Wiener "Kastl-Denkens", egal ob er Oscar Wilde oder Samuel Beckett inszeniert hat oder wie jüngst den "Hamlet". Immer subversiv, spielerisch, politisch, und vor allem auch komisch-humorvoll. Vieles ist gelungen, manches war verhaut (wie es halt so ist am Theater), aber immer von einer tiefen Menschlichkeit und Menschenliebe getragen.

Unsere erste Zusammenarbeit hatten wir am kreuzbraven Theater in der Josefstadt unter Otto Schenk, und es war ganz klar, dass er in unsere berüchtigte "Habsburg Recycling"-Truppe rein muss. Die Zusammenarbeit mit ihm war immer Spaß, Freude und Inspiration, gemeinsam lustvoll Grenzen zu überschreiten, war immer ganz oben auf der Agenda. Wie zum Beispiel beim "Steirischen Herbst" mit "Nazis im Weltraum", wo er zum ersten Mal als Adolf Hitler aufgetreten ist, oder später dann als irrer Briefbomber Franz Fuchs in unserer ersten gemeinsamen Show am Rabenhof Theater, mit Heribert Sasse und Hilde Sochor. Nicht zu vergessen, sein ganz persönlicher, hinreißender Leonard-Cohen-Abend zu seinem 70. Geburtstag.

Und natürlich sein Husarenstück als "Hitler am Opernball" als Politaktion gegen die neugewählte schwarz-blaue Regierung von 2000.
Ich schwör's: Viele Opernballgäste im Foyer haben ihm wohlwollend applaudiert, als er unseren geplanten Ablauf über den Haufen geworfen und einen spontanen, chaplinesken Hitler-Monolog hingelegt hat, um anschließend von knapp 20 Exekutivbeamten unsanft rausgezerrt zu werden. Aber Hubsi, der Schauspieler, der Theatermensch, er blieb dran, hat seine Rolle weitergespielt und es haben auch einige Polizisten während der "Amtshandlung" lachen müssen, ob der Skurrilität dieser Situation – Adolf Hitler wurde in der Staatsoper verhaftet. Da waren sie dann: Andy Warhols berühmte "15 Minuten Ruhm". Die Bilder wurden um die Welt geschickt. Von der "Kronen Zeitung" bis "CNN", von "El País" bis ins ferne Indonesien – überall hat man darüber berichtet. Alle haben es mitgekriegt, haben gelacht, waren verstört, viele auch empört. Aber die Welt wusste: In Österreich gibt's Widerstand gegen eine zum Teil rechtsradikale Regierung. Was kann man als politaktivistischer Performer und Theaterkünstler mehr erreichen?

Text: Thomas Gratzer ist jahrzehntelanger Wegbegleiter von Hubsi Kramar und Direktor vom Rabenhof Theater Wien.

Eine Veranstaltung in Kooperation mit ORF 2 und dem Multimedialen Archiv des ORF.