Milo Rau

(c) Michiel Devjver

Im Zeit-Raum: Milo Rau

Die Rückeroberung der Zukunft oder: Was kann Theater? – Johannes Kaup im Gespräch mit Milo Rau

Er ist einer der profiliertesten Theater- und Filmemacher unserer Zeit: Milo Rau. Spätestens seit seiner aufsehenerregenden Produktion "Hate Radio" über das ruandische Völkermord-Radio hat er sich auch im kollektiven Theater-Bewusstsein einen Namen gemacht. 2015 versammelte Rau in einem Bürgerkriegsgebiet im Kongo sechzig Zeugen und Experten zu seinem Kongo Tribunal. Der britische "Guardian" nannte das Stück "das ambitionierteste politische Theaterprojekt, das je inszeniert wurde". Mit der Verfilmung der Passionsgeschichte "Das neue Evangelium" stieß er wichtige Debatten an. Immer versucht er dabei, den Blick auf blinde Flecken der Gesellschaft zu legen und dorthin zu schauen, wo es wirklich wehtut. Mit seinem Stück "Antigone im Amazonas", ein Stück über Auflehnung und Widerstand und über das Gleichgewicht von Mensch und Natur, begeisterte er auch 2023 das Wiener Festwochen-Publikum.

Wie denkt und arbeitet Milo Rau, der seit Juli 2023 die Wiener Festwochen leitet? Was kann Theater? Was sind seine Visionen für ein Theater der Zukunft? Und lassen sich Thesen aus dem Genter Manifest wie: "Es geht nicht mehr nur darum, die Welt darzustellen. Es geht darum, sie zu verändern. Nicht die Darstellung des Realen ist das Ziel, sondern dass die Darstellung selbst real wird" in der künstlerischen und zugleich gesellschaftlichen Praxis umsetzen?

2015 schrieb der Zürcher "Tages-Anzeiger" über den in Bern gebürtigen Theatermacher: "Der 'Milometer' ist inzwischen so etwas wie der Goldstandard der Postdramatik: Milo Rau, der mit dokumentarischen Theatersprengungen die Häuser füllt, ist es gelungen, seine Kunst weit hinauszuwerfen aus dem Elfenbeinturm. So weit, dass sich seine Person selbst wieder zu einer Projektionsfigur verfestigt hat."

Seine Auszeichnungen sind viele und nennenswert. Als jüngster Künstler erhielt er neben u.a. Frank Castorf und Pina Bausch den renommierten ITI-Preis des Welttheatertages, für sein Lebenswerk 2018 den Europäischen Theaterpreis und war 2019, als erster Künstler überhaupt, Associated Artist der European Association of Theatre and Performance – EASTAP.

Johannes Kaup wird Milo Rau an diesem Abend zu seinen Ideen fragen, ob und wie mittels Kunst die Rückeroberung der Zukunft gelingen könnte.
"Dies ist, was ich am Theater… so liebe. Dass alle Irrtümer der Welt korrigiert werden können, wenn auch nur für einen Abend." (Aus: Milo Rau, "Grundsätzlich unvorbereitet. 99 Texte über Kunst und Gesellschaft", S.106)

Text: Johannes Kaup