Portraits von Marie-Luisa Frick und Emil Brix

Marie-Luisa Frick, Emil Brix (c) Andreas Friedle, DA Peter Lechner

Im Zeit-Raum: Ethik der Konfliktkultur

Johannes Kaup im Gespräch mit der Rechtsphilosophin Marie-Luisa Frick und dem Diplomaten Emil Brix über eine Ethik politischer Gegnerschaft.

Der Angriffskrieg auf die Ukraine, die gesellschaftlichen Kontroversen rund um die Pandemie-Maßnahmen, aber auch die Erfordernisse einer entschlossenen Klimapolitik – sie alle offenbaren in unterschiedlichem Maß ein großes Defizit in Sachen Konfliktlösungskompetenz. Dabei gehören Konflikte zum Wesen des Politischen. In demokratischen Verhältnissen ist die politische Arbeit durch Strategien erfolgreicher Konfliktlösungen charakterisiert. Dabei muss man nicht unbedingt einen Konsens finden, denn es gibt Situationen – wie aktuell beim Krieg in Osteuropa –, die humanitär und völkerrechtlich als (Kriegs-)Verbrechen einzustufen sind. Aber auch abseits dessen kann der Zwang zum Konsens das Politische verfehlen.
Deshalb ist es hoch an der Zeit, nach einer Ethik der politischen Gegnerschaft zu fragen. Dabei geht es nicht nur darum, wie Konflikte "gelöst", sondern auch darum, wie sie ausgetragen werden sollen. Gesucht ist eine Ethik der Konfliktkultur.

Wie darf man mit einem (politischen) Gegner umgehen? Wie soll ich meine Meinung bilden? Wie soll ich sie anderen gegenüber vertreten? Wie weit soll die Meinungsfreiheit reichen, angesichts von "Fake News", "Hass im Netz" und "politischer Korrektheit"? Wie kann die Demokratie wehrhaft gestaltet werden? Was schulden demokratische Mehrheiten der Minderheit – oder sogar den Gegner:innen der Demokratie?
Das sind (über-)lebenswichtige Fragen für die Demokratie, für die Zukunft Europas und der ganzen Welt.

Emil Brix ist Direktor der Diplomatischen Akademie in Wien. Der studierte Kulturpolitiker und Historiker war Generalkonsul ist Krakau, Botschafter in London und zuletzt Botschafter in Moskau. Heute leitet er die Diplomatische Akademie in Wien.

Marie-Luisa Frick lehrt Rechtsphilosophie und Politische Philosophie an der Universität Innsbruck. Mit zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten, Vorträgen und Publikationen hat sie sich in diesem Bereich einen Namen gemacht. Zuletzt erschien von ihr "Zivilisiert streiten lernen. Zur Ethik der politischen Gegnerschaft".